Von Räuchereien und Fischereien
Aus dem Jahrbuch Heimatgemeinschaft Eckernförde Jahrgang 1980 von Fischermeister Friedrich Daniel.
Von Räucherein und Fischerein um die Jahrhundertwende bis zum Weltkrieg 1914-1918.
Das besondere an dieser Geschichte ist, dass die ganzen Jahre durch reger Betrieb in Eckernförde herrschte. Von den 38 Räuchereien waren alleine am Junfernstieg und Strandstraße 20 Stück, wo 160-180 Aufsteckfrauen beschäftigt waren. Dazu kamen die 40 Räucherknechte und Fischeinhänger. Die Holzhauer, die das ganze Jahr im Holzstall dafür sorgten, dass viele Buchen und Erlen zu Kloben und Spänen mit Axt und Keilen verarbeitet wurde. Das war schwere Knochenarbeit, besonders wenn viel Knastholz dazwischen war. So mussten die Männer öfters mal mit einen großen Schnaps ihre Kehle durchspülen. Es waren trinkfeste Leute, die ohne Staack sein Vitalgetränk (VON FÖH SIN) es nicht durchhalten konnte. VON FOH SIN war ein Magenbitter von 40% den Staack als Schiffsausrüster selbst destillierte und mischte. Das Schiffsausrüstungsgeschäft Staack war bis nach dem 2. Weltkrieg in der Fischerstraße.
Mehrere Sägereien waren damit beschäftigt, Holz für Fischversandkisten für die Räuchereien herzustellen. Die Sägerei Horn an der Noorstraße war die Größte. Denn war Eldachsen gegenüber von Lienau da und später am Jungfernstieg. Christian Dibbert (Ökelname „Der Senator”) seine Sägerei brannte kurz nach der Fertigstellung ab und er musste seine Sägerei auf der anderen Seite des Bahnübergang wieder aufbauen.
Die Sägerei Lienau brannte im Juli 1912 ab. Das war ein Großfeuer. Das ganze Gelände war mit Kiefern, Fichten, Buchen und sonstigem Holz bedeckt und die Baumstämme glühten tagelang nach.
Das fertige Kistenholz wurde dann an die Räuchereien geliefert, wo sie zu Kisten verschiedener Größen zusammengenagelt wurden. Oder sie wurden in der Sägerei auf dem Nagelboden gleich fertig gemacht.
Es gab Kisten für verschiedene Fischsorten. Sprotten, Heringe, Sielen, Aale und sonstiges Fischwerk. Viele Kisten wurden von alten Leuten zu Hause fertig gemacht. Die meisten Kisten wurden von Jungs und Heranwachsenden genagelt. Erst musste der Rahmen gemacht werden und dann der Boden. Für 100 Kisten gab es 50 Pfennige. In den Räuchereien, wenn die Fische eingepackt waren, mussten die Jungs die Kisten zugenageln, wo sie dann zu Kollis zusammengeschnürt und zum Versand fertig gemacht. Dann wurden sie mit Pferd und Wagen zur Bahn oder Post gebracht.
Viele von den Jungs, die in den Räuchereien Kisten zunagelten, blieben nach der Konfirmation in der Firma, wo sie dann später als Räucherknecht oder Einhänger vor den Räucherlöcher standen. Manche bis ins hohe Alter, bis sie nicht mehr konnten.
Die grünen Fische wurden auf Spießen aufgesteckt, was auch gelernt sein musste. Das waren die sogenannten Aufsteckfrauen die, die schwere und ungesunde Arbeit machten. Ein großer Teil waren Fischerfrauen.
In der Saison von Herbst bis Frühjahr, wenn große Mengen an Blankfisch angelandet wurde, war es ein schweres Stück Arbeit für die Frauen. Die Arbeitszeit ging vielmals von Morgens um 6-7 Uhr bis Abends 8-10 Uhr und mitunter bis Mitternacht und länger. Wenn sie bloß eine Stunde Mittag hatten, um zu Hause nach den Rechten zu sehen und schnell etwas essen. Zur Kaffeezeit und Abendbrotzeit mussten die Kinder oder Männer wenn sie Zeit hatten was in den Räucherein bringen.
Durch das lange Stehen und Kälte an den Aufstecktischen holten sich die Frauen Krampfadern und andere Beinleiden weg, aber das Geld war knapp und die Familien, in denen meistens viele Kinder waren, brauchten was zum Essen und Anziehen. Darum mussten die Kinder Kistennageln und helfen, Geld zu verdienen. Es war meistens aus Not.
Wenn die Saison der hiesigen Fischerei anfing und große Mengen an Heringen, Sielen, Juchers und Sprotten fingen, kam auch viel Fisch von außerhalb, Heringe aus England, Frankreich, Schweden und Dänemark. Sprotten von der ganzen Ostseeküste. Die meisten Fische kamen mit der Bahn. Denn war am Hafen und in den Räuchereien Hochbetrieb und es ging hektisch zu, um das ganze Fischwerk zu verarbeiten. Die großen Räuchereien hatten Gespanne mit zwei Pferden, um die Fische wegzubringen zur Bahn oder zur Post. Vor den Räuchereien standen mitunter bis zu 200. Kisten mit Fisch, was alles verarbeitet werden sollte. Wenn die großen Betriebe mit Pferd und Wagen arbeiteten, mussten die kleinen alles mit der Schottschen Karre transportieren, oder sie mussten sich ein Fuhrwerk annehmen. Einige Räuchereien hatten sich neben dem Räuchern auf das Marinieren der Fische eingestellt. Rollmöpse und Bismarckheringe und das mit großem Erfolg.
Die Eckernförder Fischindustrie war zur damaligen Zeit die größten an der Deutschen Ostseeküste. Um 1900 gab es 70-72 Handwaaden, dazu 140-144 Waadboote von 9 Metern Länge. Jedes Boot hatte 3-4 Mann an Bord. Hinzu kamen noch die Boote mit 3-4 Mann, die mit Butt und Sprottnetzen fischten, dann die großen Quatschen mit Bünn, die nach Butt und Dorsch fischten und ihre Ware lebendig auf den Markt brachten. Einige waren mit Motor ausgerüstet. Von 1903 an wurden auf der Glasau-Werft große Fischerquasen von 12-14 Meter Länge mit Gaffelsegel gebaut, als Schwertboote mit durchgehendem Deck. Diese Fischerboote waren zu damaligen Zeit die modernsten an der Schleswig-Holsteiner Küste. Die Fischer, die sich einen Motor einbauen ließen, hatten oft mit Kinderkrankheiten zu kämpfen, was viel Ärger machte. Trotzdem war die Motorisierung eine große Erleichterung. Auf dem Weg zum Fangplatz war man dann nicht mehr so von Wind und Wetter abhängig.
Auch damals gab es schon Fischer, die vor Überfischung warnten. Die wurden ausgelacht und als Schwarzmaler verschrien. Nun konnte man noch die Fangplätze erweitern, kam fast über all hin, was mit Segeln und Rudern mit große Schwierigkeiten verbunden, bzw. fast unmöglich war. Zu den großen Quatschen ließen sich einige einen Plattkahn bauen. Damit konnten sie die Stellnetze gleich von Bord darauf verladen und zum Strand bringen, wo sie ihre Trockenplätze hatten. So sparten sie eine Menge Zeit ein.
Die Waadenfischerei mit Motor begann eigentlich erst 1908. Der Motor brachte einen großen Vorteil, brauchten sie doch nicht mehr mit Mast, Segel und den schweren Ruderriemen zu hantieren. Bis zum 1. Weltkrieg hatten alle Waadboote sich mit Motoren von verschiedenen Typen ausgerüstet. Hersteller waren Randers, Callesen, Apenrader, Spidelki aus Dresden, Jürgensen aus Kiel. Dann gab´s noch den Glühkopfmotor von Karl Rebehn aus Eckernförde, der am besten für die Fischerei geeignet war.
In den Jahren 1905-1907 wanderten viele Fischerfamilien aus. Nach Sonderburg, Apenrade, Langballigau, Laboe und nach Schönberg. Sie hofften auf Fangplätze, die sie von Eckernförde aus nicht befischen konnten, um so das Leben der Familien zu verbessern, denn in Eckernförde war die Fischerei überbevölkert. Die Fangplätze im Norden von Alsen waren von einem ganz großen Teil der Eckernförder Fischer mit Stellnetzen befischt worden. Hauptsächlich mit Sprottnetzen.
Mit den offenen Segelbooten waren die Fahrten zum Fangplatz zur Winterzeit mit allerlei Strapazen verbunden. Wenn sie ankamen, mussten sie erst mal für Quartier und Platz für Boote und Netze sorgen. Wogegen die großen Quasen Logis und Essen in den Kajüten an Bord hatten.
Die Fischer, die mit ihren Familien ausgewandert sind, hatten dann die Fangplätze direkt vor der Haustür. Die meisten Fischer haben ihren Wohnortswechsel nicht bereut. Mehrmals habe ich in den Ferien, wenn Vater im Belt oder in der Mittleren Ostsee fischte und ich nicht mitkonnte, meine Vettern und Cousinen in Sonderburg besucht. Ebenso kamen sie nach Eckernförde zu uns. Es kam auch vor, dass im Norden nichts zu fangen war und die Fischer mit ihren Booten zu uns zum fischen kamen. War überall viel Fisch zu fangen, gingen die Preise im Keller, wo dass es sich kaum lohnte, herauszufahren.
Zu dieser Zeit sind große Fänge mit Sprottnetzen und ganz große Fänge an Sprotten, Sielen, Vollheringen und Juchers mit der Handwaade gemacht worden. Es gab Fänge von 80000 Pfund und mehr. Das war dann ein „Schlagerfang”, der den auch viel Geld einbrachte, aber leider selten war.
Mein Großvater, Vater und vier andere Fischer hatten zusammen eine Sechs-Mann-Waade, die zu gleichen Teilen betrieben wurde. Einmal hatten sie unter Kronsort-Lindhöft einen Fang von 1700 Kisten zu je 50 Pfund reine Sprotten, die sie an den Großhändler Heiner Wiedemann verkauften. Da die Sardinenfischer in Frankreich streikten, hatte er mit der Fischfabrik in Frankreich telefoniert, ob sie Sprotten gebrauchen konnten. So kam es, dass der ganze Fang in Wagons verladen wurde und nach Frankreich ging. Dass Fische ins Ausland gingen, war keine Seltenheit. Sie bekamen pro Kiste 7 Goldmark. Das war ein Schlagerfang.
Da die meisten Fänge nicht nur aus einer Fischsorte bestanden, mussten sie sortiert werden. Dann wurde an der Brücke große Auszähltische aufgestellt, wo die Fische nach Arten sortiert wurden. Waren es großde Fänge, mussten die Fischer sich Leute annehmen, die helfen mussten. Die Arbeit wurde gut bezahlt, es ging aber Tag und Nacht und bitterkalt war es außerdem. In den Kriegsjahren 1914-1918 hat sich mancher großer Junge manche Mark verdient, und Fische zum Essen durften sie auch mitnehmen.
Die ganze Fischerei war wie ein Glücksspiel. Manchen fiel es ohne großen Aufwand in den Schoß, andere plagten sich Tag und Nacht ab und gingen leer aus. So ist das Fischerleben.