Neuer Motor, neue Netze
Unser Motor war mit allem fertig eingebaut, bis auf die Motorwinde, wo noch immer der Rohguss für die einzelnen Teile nicht angeliefert worden war. Wir hatten viel Zeit für Boot und Motor, vorausgesetzt, wir waren nicht bei schönen trockenen Tagen bei unserer Waade auf der Koppel, um diese in Ordnung zu bringen.
Den Motor ließen wir im Binnenhafen am Kai mehrere Tage, wenn wir nicht auf der Koppel waren, stundenlang laufen. Machten dann einen Tag die Probefahrt nach draußen, die zu bester Zufriedenheit ausfiel. So konnten wir, wenn die Waade in ein paar Tagen zum Boden gebracht wurde, wieder für die Buttfischerei zurüsten, sobald wir auch alle Geräte, die zur Waadenfischerei gebraucht wurden, zum Trockenboden gebracht hatten.
Anfang April bekamen wir ein Schreiben von der Firma Callesen Apenrade mit der Anfrage, ob wir noch Interesse hätten an einem Motor vom Typ der 15-PS-Motoren, nach unserer Korrespodens vom November-Dezember 1918. Callesen versicherte uns, da die Rohstoffbeschaffung für seinen Motor sich langsam wieder bessere, könne er den Motor Anfang bzw. Mitte Juni liefern. Wenn wir umgehend eine Bestellung bestätigen, die nötigen Papiere für den Kontrakt, würden uns dann umgehend zugesandt.
Durch diesen Brief waren wir drei doch ganz gut in Unruhe geraten. Es stellte sich die Frage: Was nun?
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Unseren Motor hatten wir grundüberholt, mit einem neuen Zylinder, Regulator und Lenzpumpe ausgerüstet und gerade ins Boot wieder eingebaut. Meines Vaters Meinung war, auf das Angebot zu verzichten. Denn unser Motor sei ja auch wieder neu. Fiete Mumm und ich waren der Ansicht, sich den neuen 15 PS-Motor zu bestellen. Denn wer wusste, wie sich die Fischerei entwickeln würde, vielleicht konnten wir unseren jetzigen Motor der ja auch neuwertig war, irgendwie verkaufen. Mein Vater sagte, es seien momentan so viele Angebote von den verschiedenen Motorfabriken im Umlauf, dass es nicht sein könne, einen Motor des alten Typs vom Anfang der Jahrhundertwende noch zu verkaufen, da sich doch mehr und mehr die Zweitaktmotoren durchsetzen in der Fischerei. Deshalb meinten Fiete Mumm und ich auch, ja den Zweitaktmotor von Callesen zu bestellen. Unsere Meinungsverschiedenheit bestand mehrere Tage, mein Vater kam mit den Argumenten, neue starke Fundamente, neue Spantenverstärkungen im Achterschiff wie auch im Vorschiff, da die Belastung des Bootes durch den starken Motor sehr groß sein würde und man womöglich weitere Verstärkungen am ganzen Bootskörper vornehmen musste. Wir sprachen mit unserem Macker Franz Zett über unsere Angelegenheit, er zeigte auch großes Interesse an einem starken Motor, wies uns aber auch auf die große Belastung hin, und meinte, wir sollten uns dann man gleich ein neues Boot bestellen, dass dem Motor auch gerecht wäre.
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So sagte er weiter: „Seht, wie es Frie Rolfs mit dem neuen großen 15-PS-Viertaktmotor von Jürgensen aus Kiel geht. Leckaschen über Leckaschen. Für solche Belastungen sind unsere Boote einfach nicht gebaut.” Diese Aussprache gab für uns den Ausschlag, dass wir auf den neuen Motor verzichteten.
Es folgt hierzu eine kleine Nachschrift vom folgendem Jahr, über dieses Thema, wo sich herausstellte, dass wir mit der Abbestellung eine große Dummheit begangen hatten, als sich alles um die Beschaffung einer Ringwaade drehte, so auch, dass wir uns mit 23 Mann nicht einigen konnten, die Ringwaade der Schleswig-Holsteinischen Fischhandels-Gesellschaft zu übernehmen, da zwei Mann wankelmütig waren, die dann Johannes Willwater aus Schlutup an der Trave für billiges Geld kaufte. Da der Fischereiverein und die neu gegründete Eckernförder Fischergenossenschaft den Ankauf der Ringwaade bestätigen, dann aber leider durch Kurzsichtigkeit von beiden Gremien wieder annulierten. Dass bei unseren 12 Mann zum Kauf der Ringwaade ein Verrat geschehen war, konnte beim späteren Nachdenken nicht ausgeschlossen werden. Über dies ganze Thema habe ich einen ganzen Bericht über im meinen Sonderberichten geschrieben wie über so vieles andere Geschehen in der Fischerei.
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Mitte April fingen wir mit der Schleppnetzfischerei nach Goldbutt wieder an. Die täglichen Fänge lagen bei 4-5 Zentner. Bis zum Mai hin verringerten sich diese Fänge auf 2½ bis 4 Zentner pro Tag und Boot. Diese Fänge hielten bis auf einige bessere Fangtage bis Ende des Monats hin an.
Von Januar bis im Mai haben mein Vater und ich an den Tagen, an denen wir Zeit hatten, meine neu gekauften Heringsnetze eingestellt. Ober- und Unterdellen hatte ich mir ja genügend für die Netze angeschafft. Zuerst stellten wir meine Netze, die ich von W. Dibbert erhalten hatte, ein, soweit, dass nur noch die Korkflaten an der Oberdelle und die Steinbänder an der Unterdelle festgemacht werden mussten. Da habe ich von Peter Scheller, der bei uns mit auf der Waade fischte, noch ein Angebot von 1 Stk. 22 mm, 2 Stk. 23 mm und 1 Stk. 24 mm 60/6 120 Maschentiefe Heringsnetze bekommen, ohne Bezugsschein. Da er die Vertretung für die Norddeutsche Netzfabrik Itzehoe aufgeben wollte, habe ich mir diese Netze gekauft, alle Netze dieser Firma waren hellbraun geloht. Da ich schon zwei Netze vor den Weihnachtstagen bei Scheller gekauft hatte, 23 mm 60/6, stellten wir diese Netze auch gleich mit ein. Von dem Gebrauchtmaterial, welches vom Marine-Arsenal den Fischervereinen zum Verkauf angeboten wurde, kauften wir Rundkorken, die für die Schlepptrossen der Zielschieben als Auftrieb gebraucht wurden. Jetzt benutzten wir sie für die Oberdelle der Heringsnetze.
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Zwei große leere Holzfässer, wo das Eichenextrakt als Lohe dringewesen war, hatten wir uns mitgenommen, da keiner Gebrauch dafür hatte. Auf dem Hof haben wir die Fässer in der Mitte durchgesägt. In drei Stück dieser halben Tonnen haben wir 1 Kilo Soda gegeben und mit kochend heißem Wasser übergossen. Dann die Tonnen gereinigt und mehrmals danach tüchtig mit Wasser nachgespült. Die konnte meine Mutter als Waschtonnen gebrauchen. Eine der halben Tonnen brachten wir zum Boden, wo wir 50 Liter vom Eichenextrakt hereintaten und auch 1 Kilo Netzfarbe lösten wir im heißen Wasser auf, verrührten es in der Lohe und taten meine weißen 24 mm 80/6 Heringsnetze hinein. Es waren 10 Stück, die ich von Fritz Haß, dem Vertreter der Landsberger Netzfabrik, gekauft hatte. Die Netze drückten wir immer wieder herunter, bis sie sich so von Lohe vollsogen, dass sie unter der Oberfläche blieben. Dann mit einem alten Vorsegel vom Waadboot abgedeckt. So stand das Fass bus is in den Mai hinein. Als wir das Segel abnahmen, O Schreck! Da war eine ganze Schimmeldecke über der Lohe. Wir bekamen es mit der Angst, dass die Netze verrottet seien. Ich holte eine Zinkwanne rauf. Stück für Stück nahm mein Vater die Netze aus der Lohe heraus. Er streifte die dicke Lohmasse von den Netzen ab. Dann gingen wir mit den Netzen in der Zinkwanne zum Hof und unter die Pumpe und spülten die Lohe von den Netzen ab. Wir hatten eine Leine über den Hof befestigt, wo wir die Netze erst mal drüberhängten zum Abtropfen. Wir probierten gleich mit dem Finger in den Maschen, ob sie Schaden genommen oder mürbe geworden wären, aber es war keine Masche zu sprengen. Die 10 Netze waren alle ganz dunkel-rotbraun geworden. Wir zogen die Netzstücke auf der Trockenleine so weit wie möglich auseinander, damit sie durchtrocknen konnten.
Diese meine Netze haben bis 1959 ihre dunkle Farbe behalten und sind so fest und stark geblieben, als wie sie neu waren. Als ich von der Fischerei ausgeschieden war verkaufte ich die Netze an einige Kameraden. 8 Stück kamen nach Howacht hin.
Diese alten Baumwollnetze, wurden immer mehr durch die neuen Kunststoffnetze aus Perlon und Nylon verdrängt, da diese Netze durch ihre Feinheit ertragreicher waren, sie dauerhaft nicht verrotteten und vor allem nicht so pflegebedürftig wie die Baumswoll- und Flissennetze waren. Die ersten Netze für die Heringsfischerei aus dem neuen Material probierte ich noch aus. Das erste Stück war mit einer alten japanischen Handknotenmaschine hergestellt, im Fang zwischen den Baumwollnetzen stellte sich gleich heraus, dass mehr an Heringen brachte als die sehr gut fischenden Baumwollnetze, aber bei diesem Netz lösten sich die Knoten, dass sie hin und her schaakten. Erst recht beim Abstecken der Heringe.
Das nächste Stück war mit der Netzknoten-Maschine gefertigt. Hier waren die Knoten durch eine Klebemarke verstärkt und das Schaaken der Maschen wurde verhindert. Danach bekam ich ein braun gefärbtes Netz, das genau wie die Baumwollnetze aus den feinsten Fäden des Kunstmaterials zusammengesponnenn war. Dieses Stück Netz war von allen meinen Heringsnetzen der beste Fischer. Da sich bald immer mehr herausstellte, dass die Netze aus Kunststoff die stärksten und dauerhaftesten in jeder Gattung waren, wurden meistens nur noch Netze dieser Art hergestellt. Genauso wurde auch das Tauwerk für jeden Zwecke als Garn bis zur dicken Trosse hergestellt. Wie ich schon erwähnte, musste für die Baumwollnetze viel Zeit zur Pflege aufgewendet werden durch Trocknen und Lohen mit Eichenextrakt, Katechu (Terra Japonica) und sonstigen Gerbstoffen. So wurden bei uns die Netze für die Heringsfischerei jeden Morgen zum Trocknen auf die Trockenstützen gehängt, nachmittags wieder abgenommen und zum Fang wieder klargemacht. Bei der Buttnetzfischerei geschah das den einen und anderen Tag, bei der Handwaade jede Woche, bei den großen Ringwaaden, wenn möglich, alle 14 Tage.
In der Saison mussten alle Netze 1-2 mal geloht werden.
Anfang Juni 1919 bekamen wir von Fritz Schwemm aus Burgstaaken Bescheid, dass unterhalb von Kathrinenhof wie auch auf der Sagars-Bank und unterhalb von Singersbusch sehr gute Fänge an großen Heringen erzielt wurden, aber die Buttfischerei nur kleine und mal mäßige Fänge, ob mit den Takeln oder Schleppnetzen anlandeten.
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Wir berieten uns über die Heringsfischerei, beschlossen es zu riskieren und uns darauf vorzubereiten. So packten wir unsere Buttfischereigeräte an Land, ich habe noch zu meinem Vater und Fiete Mumm gesagt: „Lass uns das Schleppgeschirr an Bord behalten, denn wenn wir einmal dort sind und es sollte mit dem Heringsfang nicht klappen, können wir es immer noch mit dem Schleppgeschirr versuchen, auf unseren Fangplätzen längst dem Steingrund.” Meine beiden Mackers aber waren der Meinung, wir hätten bereits genug Packelage an Bord.
Jonni Thies rüstete ebenfalls für die Heringsfischerei nach Fehmarn zu, alle anderen Kameraden wollten die Ergebnisse erst mal abwarten. Am 4.6. liefen wir nach Fehmarn, so dass wir nachmittags unsere Netze dort aussetzen konnten. Das Wetter war gut, blanke Luft und flauer Westwind. Im Sund trafen wir einige Heiligenhafener Fischerboote, die nach Sagars-Bank zuliefen, aber unterhalb von Singersbusch. Wir liefen nach Staberhuk zu, denn auch aus Burgstaaken kamen eine ganze Anzahl Boote heraus, die mit Heringsnetzen fischten. Ein großer Teil waren Laboer Boote, wovon einige in der Meschendorfer Bucht blieben, so auch Jonni Thies. Wir liefen mit den anderen Booten um Staberhuk herum, wir sprachen noch mit dem Laboer Fischer Krischan Hansen (de Boje), ein 1906 ausgewanderter Eckernförder Fischer. Er sagte, dass sie schon 14 Tage hier fischen würden und Fänge von bis zu 15 Zentner gefangen hätten, die Fänge aber die letzten Tage auf 3-4 Zentner zurückgegangen seien. Er hätte heute noch dreieinhalb Zentner gehabt. Er meinte, wir kämen reichlich spät, denn die Heringe fängen schon an zu laichen. Wir fischten in 3 Tagen 260, 420, 890 Pfund Heringe. Jonni Thies fischte in 3 Tagen 270, 1100, 320 Pfund dann stürmte der Südost und die Heringsfischerei war vorbei. Nachdem der Südost abgeflaut, setzten alle
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Boote noch mal aus, aber alle ohne ein Ergebnis. Wir sprachen mit einigen Buttnetzfischern, die aber erklärten, die Buttfänge seien bis jetzt noch sehr kümmerlich. Den nächsten Tag liefen alle Boote nach Hause zu. So auch Thies und wir selbst. Ich sagte noch: „Nun hätten wir eine Chance gehabt, mit unserem Schleppgeschirr uns selbst zu überzeugen, was wirklich zu fangen sei.” Am nächsten Tag brachten wir unsere Netze wie alles, was dazugehörte, zum Trocknen und brachten das Schleppgeschirr wieder an Bord. Bei der Buttfischerei, wie die Kameraden sagten, hätten sich die Fänge etwas gebessert.