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Über die Buttfischerei

Die letzten Jahre vor und nach der Jahrhundertwende ist von Eckernförde aus von mehreren Fischerquasen die Buttwaaden-Fischerei betrieben worden, die zu der Zeit auf den verschiedenen Fangplätzen inner- und außerhalb der Förde sehr ergiebige Fänge an Goldbutt erzielte.

Es war damals schon eine Quase mit einem Motor ausgerüstet, einem „Rudköpinger Motor”. Der Eigner war Margenberg. Auch eine Dampfquase gab es, sie gehörte Friedrich Ohlsen und es waren die Fischer Johannes Föh und Detlef Ewald mit an Bord gewesen.

Im Mai jedes Jahres begann die Saison der Sommerfischerei mit den Buttnetzen nach Goldbutt auf flachem und hartem Grund außerhalb der Förde. Die Buttnetzfischerei war neben der Handwaadenfischerei in den Förden und der Fischerei mit Stellnetzen nach Sprotten und Heringen längs der schleswig-holsteinischen Ostküste für die Zeit von Mai bis in den Herbst die Hauptfischerei und auch die beständigste. Wenn auch bei dieser Fischerei viel Mühe und Arbeit aufgewendet und verlangt wurde, so galt doch bei den Buttnetzfischern immer wieder die Devise: „De Buttgaarn in't Boot bringt in't Kökenschapp Brot”

Bei der Buttnetzfischerei wurden an Land alle Familienmitglieder vom 10. Jahresalter an mit eingesetzt, beim Aufhängen der Netze und zum Auspulen von Slick, Beerenkraut, Tang und allem, was sonst noch die Flora der westlichen Ostsee zu bieten hatte und sich durch stürmisches Wetter und starke Strömung vom Grund losgerissen hatte und sich in den Buttnetzen festsetzte. Diese ganze Seefloristik wurde längs der ganzen Küste von den Fischern einfach mit „Schiet” benannt. Es kam oftmals vor, dass die Buttnetze davon so voll waren, dass kein Netzgarn mehr zu sehen war. Dann war natürlich auch kein Fang in den Netzen, aber viel Arbeit für nichts. Auch wenn die Netze rein waren, mussten die größeren Kinder, Jungs wie Mädchen, mithelfen, die Netze aufzuklaren. Das ging so: Das Netz lag auf einer Art Schlitten, der „Holzmulde”, Vater oder Mutter zog diesen Schlitten an Netzstützen (plattdt.: Stöken), vorbei und die Kinder hingen das Netz über die Stützen auf. Wenn ein größeres Loch im Netz war, musste der Nachklarer in der Unterdelle vom Netz eine Schleife machen, damit der Vater, wenn die Netze abgetrocknet waren, sie gleich beim Böten (Flicken) besser finden konnte.

Die schlimmsten Monate für die Buttnetzfischerei waren Mai und Juni, gewöhnlich um Pfingsten herum. Es war die Zeit, wo mit den Netzen auf flacheren Wassertiefen gefischt wurde und dabei die Verschmutzung der Netze mit Slick (Schiet) schon bei mäßigen Winden oder starken Strömungen vor sich ging. Eine Ladung Slick in den Buttnetzen war mit das Schlimmste, was den Fischer treffen konnte, der Slick ließ sich nämlich nícht mit der Fegerute aus dem Netz herausfegen. Er musste Stück für Stück aus den Netzen rausgespült werden. Dazu wurden viele Hände gebraucht. Mitunter war der Slick so zäh, dass er erst im Lohkessel gekocht werden mußte, ehe er zu bearbeiten war.

Nach dem Kochen wurden die Netze tüchtig im Wasser gespült und zum Trocknen aufgehängt. So konnte das Nachgebliebene vom Slick rausgefegt und gepult werden. Wie oft ist es vorgekommen, dass zu Pfingsten, wenn andere Leute spazieren gingen, ganze Fischerfamilien sich zwischen den Stützen mit dem Slick in den Buttnetzen abplagen mussten.

Waren die Schmutzarbeit und das Aufhängen der Buttnetze beendet, konnte Feierabend gemacht werden, aber am nächsten Tag standen die Fischer schon sehr früh bei ihren Netzen, um die Löcher, die durch Festhaken am Grund, durch Krebse oder gefräßige Seespinnen und sonstige Ursachen entstanden waren, auszuflicken oder zu Böten, wie man es in der Fischerei nennt. Einige Fischerfrauen waren damals auch mit dem Böten bewandert, somit eine große Hilfe für den Fischer selbst. Genauso war es mit den größeren Fischerjungen, denen es schon früh mit 11-12 Jahren beigebracht wurde. Die Kunst des Bötens war gar nicht so einfach zu lernen. Es fing bei den Buttnetzen mit dem Ausflicken eines Drei und Fünfhuk ? an. Bei den Buttnetzen durfte niemals über einen Maschenschenkel hinweg gebötet werden, damit der Schenkel nicht doppelt wurde. Jedes Loch im Buttnetz wurde und musste vorsichtig und maschengerecht ausgeschnitten werden, damit nirgends ein doppelter Maschenschenkel entstand. Beim Lernen kam es vor allem erstmal auf den richtigen Knoten an (Schotstek), damit er fest saß und nicht schakte ?, ferner auf gleiche Schenkellänge. Und wenn ganz neue Maschen eingebötet werden mussten, auf die genau gleiche Maschengröße. Beim Anfang und am Ende vom Loch mußten immer drei Schenkel sein, wenn es richtig ausgebötet wurde. Es blieb zuerst nicht aus, dass es beim Lernen vielmals Ausschelte gab, wenn eine Schakmasche oder sonst etwas verkehrt gemacht wurde. Einige Fischerjungen hatten es bald gelernt, weil sie Lust dazu hatten und sich selbst an alten Netzen mehr übten und ausbildeten, ebenso an alten Heringsnetzen, wo die Maschen bedeutend kleiner waren. Wenn dann der Vater die Arbeit für in Ordnung befand, war es ein Spaß, und der Betroffene freute sich.

War das Ausbessern beendet und die Netze trocken, so ging das Enkeltnehmen ? der einzelnen Netzstücke vor sich, was meistens der Fischer selbst machte (Abnehmen der Netze von den Stützen), denn auch diese Arbeit verlangte ein sorgfältiges Können. Die erste Scheidenschleife ? des Netzes wurde über den Daumen des angewinkelten linken Armes gelegt, dann ging's längs der Stützenreihe und die Oberdelle in kleinen Buchten mit dem Flottholz so über den Daumen gelegt, dass die Flotthölzer nach der Schulterseite eines auf dem anderen lagen. Es geschah in einem Tempo, dass ein Laie es niemals fertigbrachte, solche Geschicklichkeit aufzubringen. War das Stück Netz zu Ende, wurde es mit der untersten Scheidenschleife durch das Loch, wo der Daumen gewesen, zusammengebunden und in eine Holzmulde gelegt oder gleich zum Einsteinen der Netze klargelegt, wenn die Frau des Fischers oder die größeren Kinder das Einsteinen der Netze machten. Es wurden 6-7 Netze in der dafür bestimmten Holzmulde eingesteint. Das Einsteinen der Buttnetze ging so vor sich: Am Unterdell der Netze waren die Schleifen als Steinbänder in einem bestimmten Abstand angebracht, es wurde das Ende der Schleife über die Schleifenschenkel gelegt, so daß eine doppelte Schlinge entstand, die dann über den Stein gelegt und mit den Daumen fest angedrückt und angezogen wurde, so dass der Stein fest saß und nicht beim Aussetzen der Netze aus der Schlinge herausflog. Beim Einsteinen wurden die in der Schlinge festsitzenden Steine in Reihen ein an den anderen und sorgfältig übereinander in der Holzmulde hingelegt, so dass jedes einzelne Steinband frei und klar lag und sich beim Aussetzen nicht verwirren konnte. Die Steine für die Buttnetze hatte man sich sorgfältig und passend am Südstrand unterhalb des Bahnübergangs oder am Ohrt unterhalb der Obstkaten und am Hemmelmarker Strand zusammengesucht. Die Steine wurden sorgfältig gehütet und jedes Mal von Saison zu Saison und bei jedem Buttnetzfischen wieder verwendet. Da aber docheinzelne Steine verloren gingen, musste man sich von Zeit zu Zeit immer welche dazusammeln. Vielfach machten es auch die größeren Jungs der Fischer, die oftmals welche sammelten und an den Buttnetzfischer verkauften. Für 100 Stück gab's 50 Pfennige.

3 Stück der Buttnetze waren eine Molle, 6 Stück eine Doppelmolle. Wenn 3 Mann auf einer Quase zusammen fischten, so wurde meistens im Winter mit 18 Mollen, das waren für jeden Mann 3 Holzmulden je 6 Stück Netze, also 6 Mollen auf den Mann gefischt. Es war eine Schicht von 54 Stück der Buttnetze. Von Mai an wurde mit derselben Besatzung mit 21 bzw. 24 Mollen gefischt. So waren es Schichten mit 63 bzw. 72 Stück der Netze. Bei der Buttnetzfischerei wurde immer mit 2 Schichten gefischt, eine Schicht im Wasser und eine Schicht an Land, die ein um den anderen Tag ausgewechselt wurden. Wenn man den Fang, welcher 2 Nächte auf dem Fangplatz gestanden hatte, einzog und selbige brachte einen zufriedenstellenden Fang, so wurden die Netze klar zum Aussetzen gemacht und gleich wieder auf denselben Fangplatz ausgebracht. War der Fang nicht lohnend, so suchte man sich einen neuen Fangplatz, der vom alten Fangplatz mitunter weit entfernt lag. So wechselten die Schichten immer um. (Eine Schicht war die ganze Länge der ausgesetzten Netze).

Eine Quase war ein Fischerfahrzeug mit einer Bünn drin, die ¾-zöllige Löcher in den Planken hatte, so dass immer frisches, sauerstoffreiches Seewasser in der Bünn vorhanden war und sich bei jeder Bewegung des Fahrzeugs von selbst erneuerte. Dadurch wurden die gefangenen Fische lebendig gehalten. Die Sommerfischerei brachte oft viel Arbeit durch von Schiet beschmutzte Netze, die Winterfischerei mit den Buttnetzen brachte an für sich wenig Schiet. Aber bei Frostwetter und Kälte, wenn die Netze steif, ja mitunter in den Holzmulden zu einem Klumpen gefroren waren, brachte dies eine Masse Arbeit mit sich. Dann musten die Netze in der geheizten Wohnung oder Waschküche, wenn eine vorhanden war, aufgetaut und aufgelesen werden. Das Auflesen ging so vor sich, dass man einen Twelstock an der Rücklehne eines Stuhls festmachte in einer Höhe, so daß die Netze frei vom Fußboden blieben. Dann wurden die Netze, wenn sie auftauten, Stück für Stück aus der Holzmulde herausgeklart und wie beim Enkeltnehmen die Oberdelle in Buchten über den Twelstock gelegt. War ein Stück Netz aufgelesen, wurde es zusammengebunden in eine Holzmulde gelegt. Wenn 6 Stücke (eine Doppelmolle) aufgclesen waren, ging der Fischer damit zum Trockenplatz und hängte Stück für Stück auf die Stützen. Waren die Netze nicht gefroren, wurden sie beim Aufhängen wie im Sommer behandelt. Im Winter war es aber eine kalte Arbeit, die vielen Wretts aufzuklaren, hauptsächlich, wenn sie vom Dorsche stammten, die sich beim Festlaufen in den Netzen so verwickelten und dann beim Ausklaren aus dem Netz die Wretts hinterließen. Die Wretts auseinanderzupulen, um die Stelle im Netz zu klaren, dauerte meistens eine ganze Zeit. War das Wetter kalt, froren die Finger oftmals steif. Waren die Netze abgetrocknet, so mussten sie am nächsten Tag gleich wieder eingesteint werden; es kam im Winter auch vor, dass die Netze weiß von Rauhreif. Dann war trotz des Ausschüttelns das Enkeltnehmen kein Vergnügen. Ebenso, wenn die Netze nass abgenommen wurden. Das Einsteinen der Netze wurde dann in der Waschküche im Stall oder in der warmen Stubegemacht. Zu der Zeit war man damit nicht zimperlich, denn die Netze mussten więder klar zum Aussetzen sein.

Davon hing der ganze Lebensunterhalt der Familie ab.

In strengen Wintern, wenn Förde und Teile der Ostsee zugefroren waren, wurde zugerüstet, mit Buttnetzen wie auch mit anderen Stellnetzen, ja auch mit der großen Handwaade unterm Eis zu fischen. Die Eisfischerei forderte von den Fischern viel Aufwand ehe es soweit war, die Netze, einerlei welcher Art aussetzen zu können. Alleine die vielen Eislöcher zu schlagen, dann mit einer Finnschenlatte von Loch zu Loch die Hohlleinen unters Eis zu bringen. Dazu brauchte man, je nachdem wie stark die Eisschicht beschaffen war, mehrere Tage. Wenn dies geschehen war, gingen die Strapazen los. Mit den großen, schweren Stiefeln, die mit Netzen schwerbeladenen, großen Schlitten von 2-2½ Länge bei jedem Wetter womöglich stundenlang, übers Eis zu ziehen, bis dorthin, wo man den Fangblock vorbereitet hatte.

Bei den Fischerjungen ging es am Jungfernstieg vielmals beim Einsteinen der Buttnetze nach der Uhr, jeder wollte in der kürzeren Zeit eine Doppelmolle einsteinen. Dass es beim Wetteifern zu Fehlern kam, war nicht zu vermeiden; dass z. B. die Schlingen der Bänder um die Steine nicht richtig festgezogen waren, somit die Steine beim Aussetzen der Netze einer nach dem anderen aus der Schlinge flogen; oder etwas Schlimmeres, wenn ein Stück von den Netzen verkehrt zusammengebunden war. So musste das ganze Stück beim Aussetzen kopfüber von Bord, denn beim Aussetzen noch etwas zu klaren, war unmöglich. Wehe dem Übeltäter. War er am Hafen, um die Netze der Fangreise heraufzuholen, so bekam er unverhofft ohne viel Gerede links und rechts seine Backpfeifen. Derjenige wusste gleich, dass etwas mit den Netzen beim Aussetzen schiefgegangen war. Fürs nächste wurde beim Einsteinen der Netze mehr Sorgfalt geübt. Es ist aber auch vorgekommen, dass aus Schabernack oder aus Neid einem der Jungs, nachdem die Netze eingesteint und noch am Jungfernstieg unter den Bäumen standen, einer die Scheiden losgemacht und dann mit Absicht wieder verkehrt zusammengebunden hatte. Zweimal wurde ein Junge dabei ertappt. Da es ein paar Mal bei verschiedenen Fischern passiert war, die selbst eingesteint hatten, so hatte der Unschuldige die Strafe bekommen. Der Täter war ein Junge vom Jungfernstieg. Wir nannten ihn „Illias”.

Die Buttnetzfischerei mit Takeln (Dreiwandnetzen), womit die Fischer von Heiligenhafen und die Fehmarner fischten, war an Arbeit bedeutend leichter und nicht so umständlich, vorausgesetzt, dass kein Schiet in den Takeln war, der mit den Händen herausgespült werden musste. Die Takeln brauchten nicht ein- und ausgesteint und auch nicht nach jeder Fangfahrt auf den Stützen getrocknet zu werden. Wenn die Netze eingezogen und rein waren, wurden sie gleich zum Aussetzen klariert. Es wurde bei der Fischerei mit Takeln nur mit einer Schicht gefischt und einmal die Woche getrocknet. Von Heiligenhafen aus nach Norden zu wurden überall die Steinnetze für die Goldbuttfischerei verwendet, ebenso in Dänemark. Wie ich bei Gesprächen hörte, sollen die Takeln auf harten und flacheren Gründen besser als die Steinnetze gefischt, aber auf dem weichen Mudgrund die Steinnetze bedeutend bessere Fangergebnisse erzielt haben.

Die Fanggründe für die Buttnetzfischerei nach Goldbutt reichten außerhalb der Förde von Mai bis in den Herbst für die Eckernförder Fischer mit ihren Segelquasen bis zum Kleinen Belt, von dort zum Großen Belt über Millionviertel zur Hohwachter Bucht und zurück vor unsere Förde; innerhalb dieses begrenzten Gebietes waren die vielen einzelnen Fanggründe, die alle nach den markanten Landmarken benannt waren.

Es sind weit über 40 Stück gewesen, die ich in einem anderen Bericht festgehalten habe. Alle diese einzelnen Haupt-Fanggründe für die Buttnetzfischrei sind später auch für die Tuckerei (Schleppnetzfischerei) nach ihren Namen der markanten Landmarken befischt worden. Mit den Landmarken musste sich zu der Zeit jeder Fischermann genauestens auskennen, um zu wissen, wo er seine Netze ausgesetzt hatte, wie auch die durchs Handlot gemessene Wassertiefe und die Beschaffenheit des Grundes.

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