Ein Lebensgeschichte der Ringwaaden-Fischerei
Mit diesem vorgestellten Objekt wird eine Darstellung von einer aufgesetzten Ringwaade mit Ringwaaden-Boot u. Suchjolle gekennzeichnet. Eine Attrappe. Man muss sich hierbei vorstellen, dass die Oberdelle der Ringwaade, die rundum mit Flottholz bestückt ist, die Wasseroberfläche darstellt, wie auch der Tiefgang vom Boot u. Jolle. Nach unten zu ist die Unterdelle, die mit kleinen Bleistücken und den sogenannten Hahnepoten, wo die Ringe an sind, befestigt ist.
Das Netzobjekt ist mit Baumwollgarn handgeknotet, die Maschenweite ist 13 mm. Dieselbe Maschenweite, die auch die Waaden hatten.
Auf dem dargestellten Ringwaaden-Boot sind die einzelnen Teile, die für die Fischerei mit der Ringwaade gebraucht werden u. nötig sind, in Miniaturen nachgemacht, z. B. Trommel für die Stahlleine, eine Winde mit Spillköpfen, der Lagerkasten für die Ringe, wo die Stahlleine durchläuft beim Aussetzen der Waade, eine Ablaufplatte für die Ringwaade, damit sie ungestört zu Wasser kann, und vor dem Ruderhaus bis zur Schanzkleidung eine Schutzplanke für die Sicherheit des Aussetzers beim Ablauf der Waade, wenn diese ausgesetzt wurde, weiter mit einem kleinen Mast mit Ladebaum u. dem Galgen, der besonders stark u. stabil sein musste, da beim Zusammenschnüren der Waade eine große Kraft sich auf dem Galgen auswirkt, bis alle Ringe der Waade zusammen am Galgen hängen.
Die erste Ringwaade kam im Herbst 1917 aus Schweden, wo in der skandinavischen Fischerei die Ringwaaden schon lange Jahre als ein wichtiges Fischereigerät in Gebrauch waren, von der Schleswig-Holsteinischen Fischhandels-Gesellschaft, deren Hauptsitz in Eckernförde war, gekauft mit Erlaubnis des Oberfischmeisters Fr. Fischer (Kiel). Die Ringwaade mit dem Ringwaaden-Boot wie Suchjolle wurde von einer schwedischen Besatzung nach Eckernförde überführt.
Drei Fischer aus Eckernförde, die durch Antrag der Fischhandels-Gesellschaft beim Oberkommando der Marine für den Zweck der Übernahme der Ringwaade beurlaubt u. freigestellt wurden, wurden von der schwedischen Besatzung mit der Bearbeitung der Ringwaade beim Aussetzen u. Einholen der Waade aufgeklärt u. somit angelernt – vor allem der Sucher mit dem Suchlot nach Fischschwärmen. Das Suchlot bestand aus einer birnenförmigen Bleikugel von 400–500 Gramm, mit nach oben zu einem kleinen Stöpsel, war mit einem kleinen Loch, wo eine kleine Schlinge aus Nähgarn befestigt war, hieran aus ganz dünnem u. feinem Kupferdraht angebunden.
Dieser Kupferdraht hatte eine Länge von 50 mtr., die auf einer Holzrolle von 10 cm Durchmesser u. 20 cm Länge aufgerollt, wo in der Mitte ein Draht durchlief, an einem Ende eine Kurbel angebogen war. Die Rolle lief mit dem Kupferdraht in einem kleinen Holzkasten, wo die Rolle sich drehte. Um den dünnen Kupferdraht auf- u. abzuwickeln.
Wurde die Suchjolle angerudert zum Suchen, lässt der Sucher sein Bleilot langsam über Bord, bis sein Lot den Grund hatte, so wickelte der Sucher etwas Draht ein, dass sein Lot beim Rudern eben über dem Grund schwebte. Kam der Kupferdraht durch einen Fischschwarm, spürte der Sucher sogleich an seinem Zeigefinger, wo der Draht anlag, das Vibrieren. Je größer u. dichter der Fischschwarm war, desto stärker das Vibrieren.
Wenn der Schwarm groß genug für den Sucher zum Aussetzen war, gab er mit seiner Hand das Signal zum Aussetzen der Waade. So zeigte er auch zum Boot hin, ob sie vor der Jolle oder hinter der Jolle den Fischschwarm mit der Waade umsetzen sollten.
Nach mehrfachen Aussetzen der Waade um einen Fischschwarm, der einen guten Fang einbrachte, konnte die Ringwaade den Eckernförder Fischern übergeben werden. So wurden noch sieben Mann für die Besatzung an Bord genommen.
Mit der Ringwaade wurden gute Fänge erzielt in unserer Förde.
Ende vom Jahr 1919 wurde die Ringwaade von der Fischhandels-Gesellschaft der neu entstandenen Fischerei-Genossenschaft für einen minimalen Preis zum Kauf angeboten, aber bloß in Vorbehalt vom Verein u. Genossenschaft gekauft. Bei diesem Vorgang gab es schon viele Gegner gegen den Kauf der Ringwaade. Die Ringwaade machte nach der Übernahme mehrere Tage nacheinander sehr gute Fangergebnisse, die den Preis der Ringwaade weit übertrafen u. für die Fischer-Genossenschaft noch einen Plus einbrachte.
Hiernach rief der Vorstand von der Genossenschaft u. des Fischer-Vereins – die ein und dieselben Personen waren – für den Abend eine Großversammlung ein, mit einem Programm über eine Abstimmung über den Kauf der Ringwaade. Diese Versammlung endete in einer Katastrophe. Die Abstimmung brachte knapp zwei Drittel mit Nein u. gut ein Drittel mit Ja, so wurde der Kauf annulliert durch einen unglaublichen Aufruf des Vorsitzenden, dass, wenn die Fischerei mit der Ringwaade so bliebe, die Ostsee in einem Jahr gänzlich leergefischt sei. Ein jeder aber, der für den Kauf stimmte, auch die Verantwortung mittrug für die leergefischten Ostsee-Gewässer – das war der Trumpftrick, wodurch der Kaufvertrag abgelehnt wurde.
Mehrere Berufsfischer u. Ja-Sager, die sich zu Wort meldeten, wurden vom Vorstand nicht angenommen, sondern wurden plötzlich mit einem Geschrei aus Verein u. Genossenschaft herausgeschmissen. Es war eine unverantwortliche Angelegenheit des Vorstandes von Verein wie Genossenschaft, was sich dieser geleistet hatte.
Da der Verkauf zurückgezogen wurde, wurde die Ringwaade zehn Berufsfischern angeboten, die großes Interesse daran hatten. Doch zwei Mann baten sich plötzlich ein paar Stunden Zeit zum Überlegen, sie hatten scheinbar Angst, dass die Ringwaaden-Fischerei verboten wurde. Als nachmittags das Zusammenkommen war, waren fünf Mann doch sehr enttäuscht, dass plötzlich Joh. Willvater aus Schlutup dazwischengekommen u. die Ringwaade schon den Kauf abgeschlossen hatte.
Hier war doch von jemand etwas manipuliert worden, sonst konnte so etwas doch nicht vorkommen.
Nach dem Kauf hatte Willvater die beiden Verantwortlichen der Ringwaade, Heinr. Madsen u. Joh. Mumm, bis zum Saisonende 1920 mitgechartert, da sie die Kenntnisse für den Betrieb mit der Ringwaade hatten.
Die Ringwaade machte gleich vom ersten Tag an vor Travemünde große Fänge, so ging es Tag für Tag weiter. Willvater hatte sich mit der Ringwaade eine große Verdienstquelle eingehandelt.
In den Fischerorten des Innenteils der Lübecker Bucht taten sich mehrere Fischer in Gruppen zusammen, um sich gebrauchte Ringwaaden in Dänemark oder Schweden aufzukaufen, die dann auch noch mit Erfolg zum Einsatz kamen. Diese Fangerfolge vor Travemünde führten zu dem Boom, neue Ringwaaden anzuschaffen durch die Fischergruppen, die sich zusammentaten.
Vom September an waren hierdurch sämtliche Netzfabriken voll ausgelastet, um die Netzbahnen für die Ringwaaden herzustellen u. was sonst noch alles dazu gehörte. So ging es in jedem Fischerort längs der Schleswig-Holsteinischen Ostseeküste. Die größeren Fischerfahrzeuge mit stärkeren Motoren wurden mit den Geräten, welche für die Ringwaade gebraucht wurden, ausgerüstet. Ja, einige Gruppen ließen sich sogar größere zweckmäßige neue Boote bauen.
Der Preis für eine neue Ringwaade mit Zubehör lag 1920 bei 100000 Mark – es war ein teures Objekt.
1921 im Januar, als von Travemünde aus die ersten Fänge mit der Ringwaade gemeldet wurden, ging die Fahrt der fertigen Ringwaaden nach Travemünde. Tag für Tag wurden es mehr, so dass in kurzer Zeit 40 Ringwaaden in Betrieb waren u. sich noch bis auf 50 Ringwaaden steigerten. Dadurch wurden an einzelnen Tagen große Anlandungen gemacht, aber im Ganzen gesehen gab es nur einige Glücksvögel. Die größte Anzahl konnte sich so eben erhalten mit den Unkosten u. dem Unterhalt.
Um die Ringwaaden-Fischerei in der Eckernförder Förde musste hart gekämpft werden, bis der Streit um dieses Problem zwischen der Handwaaden-Fischerei u. der neu entstandenen Ringwaaden-Fischerei durch die Regierung in Schleswig eine Grenze festlegte, innerhalb derer das Fischen mit der Ringwaade verboten war und strafbar sei.
Über die Ringwaadenfischerei bei uns in der Förde habe ich ausführliche Berichte geschrieben, wie auch über den Tag im März 1923, wo 39 Ringwaaden in der Außenförde alle Ringwaaden innerhalb ½ Stunde ausgesetzt hatten u. alle einen größeren Fang machten an Heringen u. Sprotten.
Bei uns in Eckernförde wurden an dem Tag 743000 ℔ Fische angelandet u. 278000 ℔ von den Ringwaaden der Kieler Förde in Kiel am Markt gebracht. Es waren über 1 Million ℔, die auf einem Fanggebiet von 1000 Quadratmetern aus dem Wasser kamen.
Doch so schnell sich der Boom der Ringwaaden-Fischerei entwickelte, war es nur für einige Jahre, denn in den letzten der 20er Jahre war alles vorbei – genau wie die große Handwaaden-Fischerei in Eckernförde, so auch in den 20er Jahren die Goldbutt-Fischerei, ob mit Stellnetzen oder Schleppnetzen, ausgestorben. Auf dem Gebiet zwischen Alsen u. Fehmarn, u. wenige Jahre weiter östlich von Fehmarn, war diese Fischerei vorbei, u. dadurch wanderten mehrere Fischerfamilien nach Saßnitz auf Rügen aus. Alles lag wohl an der Überfischung u. Modernisierung der Fischerei.
Die neuen Ringwaaden, die 1920–27 hergestellt wurden, bestanden aus fünf großen Netzballen von 100 mtr ausgestreckten Maschen u. 2000 Maschen in der Tiefe von 13 mm Maschenweite. Hierzu gehörten für Ober- u. Unterdelle eingeteerte Hanftaue von 18 Stärke bis 700 mtr zusammen, dazu noch ein Haufen von 10–12 mm Stücke für das Flottholz (fertiggestellt aus Kork) auf der Oberdelle zu befestigen, und für die an der Unterdelle befestigten Hahnepoten – für beide Teile zusammen sind es bei 500 mtr.
Als Flottholz wurden 1200 Stück Korkflaten gebraucht für die Oberdelle, die eine Länge von 340–350 mtr hatte. Eben solche Länge hatte auch die Unterdelle, mit 1000 Stück extra geformter Bleistücke, die auf die Unterdelle als Beschwerung aufgezogen wurden. Die Eisenringe, die an den Hahnepoten befestigt waren, wurden aus 20 mm starkem Rundeisen hergestellt mit einem Durchmesser von 12 cm, wovon 50 Stück für die Hahnepoten gebraucht wurden, wo die Stahldrahtleine durchlief.
Zur Herstellung der Ringwaade gehörten viel Zeit u. viel Arbeit. Denn erstmal wurde jedes 100-mtr-Stück der Netze für sich eingestellt an der Ober- u. Unterdelle. Wenn das geschehen u. soweit fertig, dann werden die Stücke miteinander zusammengenäht.
Waren die ersten Netze von den Netzfabriken kommenden Netzballen alle aus Baumwolle in der Naturfarbe Weiß, kamen die nachkommenden Ballen schon von der Fabrik aus geloht und sind somit imprägniert. Die weißen Ballen musste man noch selbst lohen. Die fertige Ringwaade hatte eine Länge von 340–350 mtr u. in der Tiefe eine Stau von 35 mtr.
Fr. Daniel