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Die Erfindung der Motorwaade

Mitte Oktober waren wir, wie auch unsere Mackers Peter Kalls, Franz Zett und Jörn Dankwardt von der Heringsnetzfischerei ausgeschieden. Wir wollten unsere Boote für die Handwaadenfischerei einrichten nach moderner Art. Die Waade sollte durch die vom Motor angetriebene Winde mit 400 Metern 6 mm Stahldraht auf jedem Boot herangewunden werden anstatt mit Handbetrieb. Ebenso die Waade selbst. Es wurde eine Leine bei 2 Kehllängen befestigt. Dann wurden Stropps auf allen vier Längen auf Markierungen auf der Unterdelle befestigt, die dann mit Slipsteks an der Leine belegt wurden. Die Leine lief über einen Roller, der auf dem Scherrdeck an der Reling fest montiert war, dann über einen Fußblock zum Spillkopf der Motorwinde. So sollte die Waade eingezogen werden. Durch die Motorkraft wurde der Zug aus der Waade genommen, Unter- und Oberdelle und das Netzgarn wurden lose und konnten von der Besatzung mit der Hand ohne Anstrengung ins Boot geholt werden.

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Wir wollten es versuchen, obgleich wir wussten, dass mit unserem Versuch allerlei Unruhe in die Handwaadenfischerei gebracht wurde. Unser altes Waadboot hatten wir im Sommer von Hans Rehder umbauen lassen. Die oberste Planke wurde durch eine stärkere ersetzt. Ebenso wurden die Mittelducht mit Knecht, sowie Dollbord, Remm, Siddels, Peken und die Genieren erneuert und verstärkt. Ebenso wurde eine neue Winde eingebaut und neue Ruderklampen. Vor und hinter der Mittelducht wurden je zwei neue Spanten zwischen den alten Spanten zusätzlich eingesetzt. Somit war das Boot dazu fertig, die Strapazierung durch unsere größere Motorwinde zu überstehen.

Als die Handwaadenfischerei sich besserte mit guten Fängen, brachten wir am Dienstag, den 25., unsere Handwaade auf unsere beiden Motorboote. Wir fuhren Mittwoch, den 26.10., zum Morgenzug nach Eichholz 3 aus, innerhalb von uns auf Eichholz 2 war Wilhelm Stöcken, der mit Nikolaus Beck zusammen fischte. Außerhalb von uns waren Peter und Christof Neumann auf Eichholz 4. Als die Zeit zum Ablaufen war, richteten wir uns nach dem Aussetzen unserer Kameraden innen und außen von uns. Es wurde zwischen dem ersten und zweiten Knopp ausgesetzt, gute 150 Faden von der Schaarkante ab.

Das Aussetzen der Waade mit unseren zwei Motorbooten hatten wir uns nach einem guten System ausgeklügelt, damit keiner die Waade in die Schraube bekam. Es funktionierte gleich beim ersten Mal sehr gut ohne Behinderung. Ehe die anderen Waaden mit ihren Ruderbooten an Land waren, hatten wir unsere Leinen schon steif gewunden, auf unsere Anker hatten wir neben dem starken Ankertau aus Kokos an die Fluken eine kräftige Hanfleine gesteckt,

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die wir beim Ankerlichten über den Spillkopf der Motorwinde legten und so unsere Anker ohne sonstige Kraftaufwendung einhieven konnten. Wir hatten uns alles genau überlegt, so dass nichts schief gehen konnte. Für auflandigen Wind hatte jedes Boot einen guten Warpanker auf, dies musste sein, weil unsere Boote ja einen zusätzliches Gewicht und mehr Tiefgang hatten als die normalen Waadboote.

Die Waade ließ sich durch die Motorwinde beim normalen Blindlauf so leicht heranziehen, dass es nur sehr gering den Motor belastete. Ehe die beiden Nebenwaaden ihre Waade mit der Handwinde heran hatten, waren wir schon beim Einhieven der Waade selbst. Als wir die Waade bis zum Hamen schon an Bord hatten, hatten die beiden Waadengespanne neben uns noch nicht mal die Hälfte ihrer Waaden in den Booten. Unser Fang in diesem Zug belief sich auf 15 Zentner. Als wir nach Hause liefen, hatten unsere Kameraden ihre Waade immer noch nicht im Boot. Wir freuten uns, dass unsere Sache so gut geklappt hatte. Wenn wir uns auch darüber klar waren, dass es bei Nacht und schlechtem Wetter doch einige Schwierigkeiten mit den großen Booten geben konnte.

Als wir beim Löschen waren, kam der Fischmeister H. Gollatz bei uns an. Er lag mit dem Fischereiaufsichtsboot „H. Schnorr” an der Kalkkuhle. Er fragte gleich, wie es mit der neuen Waadfischerei gegangen sei. Die Antwort darauf war, dass alles gut funktioniere, es viel Arbeit und viel Zeit spare. Unsere beiden Mackerwaaden, mit denen wir ausgesetzt hätten, kämen jetzt erst an, wo wir schon bald unseren Fang gelöscht hätten.

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„Aber Fischmeister Gollatz”, fragten wir, „wer hat Sie denn angerufen, dass sie herkommen und unsere Sache sich anschauen sollen?” Er sagte, es sei schon lange darüber geredet worden, und sowieso sei er auf Kontrollfahrt, denn das, was wir vorhätte und heute morgen als Versuch gestartet hätten, sei eine verbotene Angelegenheit nach dem Fischereigesetz. Wir fragten uns: wieso? Dass wir die Waade statt per Hand über die Ochsenwinde nun mit unserer Motorwinde einholten und somit eine Menge Arbeit einsparten, das könne ja wohl kaum verboten sein. Wir wussten nicht, dass dadurch jemand geschädigt würde. Das, was wir machen, wäre doch wohl nicht zu vergleichen mit dem Schleppgeschirr, denn hier handele es sich doch darum, dass die Boote genauso wie sonst auf den angewiesenen Waadenzug vor Anker liegen, bloß statt mit den Händen und der mesnchlichen Kraft, es jetzt der Motor mache, der ja sowieso den ganzen Zug über blind läuft, und er es jetzt auch täte, er jetzt bloß die Winde mit betrieb. Wir waren noch mitten in der Diskussion, als der alte Peter Neumann ankam und zum Fischmeister sagte, er solle es uns gleich verbieten und den Fang sofort in Beschlag nehmen. Gollatz sagte zu Neumann, er solle sich nicht aufregen, die Angelegenheit müsse sowieso geregelt werden. „Sagen sie mir, da sie neben den Leuten gefischt haben, ob Sie bei der Ausübung ihres Zuges von den Leuten gestört oder behindert wurden?” P. Neumann sagte, er sei weder gestört noch behindert worden, aber was wir gemacht

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hätten, sei gegen die Tradition der Waadenfischerei. Wo solle es hinführen, wenn noch mehr auf solche Ideen kämen, denn die Fischerei mit Motorbetrieb sei doch verboten.

Mittlerweile waren mehrere Fischer und sonstige Leute um uns herum. Auch Wilhelm Stöcken stand dabei, der innerhalb von uns gefischt hatte, er machte sich nach einer kurzen Zeit bemerkbar. Er sagte, dass er sich die Sache schon eine ganze Zeit angehört habe, er wolle nur sagen, dass das, was wir uns da ausgeklügelt hätten mit unseren beiden Fahrzeugen, man doch nicht einfach so verurteilen könne. Er habe sich den ganzen Zug und alles, was sich dabei abgespielt hatte, genau angesehen. Er könne an der Sache nicht finden, dass sie ihm oder Neumann oder sonstigen Waaden geschädigt oder behindert hätte. Aber das eine stehe fest, dass bei dieser Fischerei eine ganze Menge menschlicher Energie und Kraft eingespart würde. Wenn der alte Neumann von Tradition spräche, könne er bei der Sache nicht ganz mitkommen, denn die Tradition sei doch schon längst durchbrochen worden, als die Motoren in den Waadbooten eingebaut wurden. Welche Erleichterungen das uns gebracht habe, das wüssten wir doch alle, die bei der Schinderei mit Segeln und Riemen mitgemacht hätten. Das, was wir gemacht hätten, würde hier ja hochgespielt, als wenn es ein Verbrechen sei, aber nach seiner Meinung sei es ein Fortschritt wie damals mit dem Einbau der Motoren in die Waadboote.

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„Ich für meine Person kann nur sagen, dass die Leute sich damit die Arbeit erleichtert und dadurch auch noch einen besseren Fang erzielt haben, Fischmeister. Ich würde an Ihrer Stelle es nicht einfach verbieten und erst recht nicht den Fang in Beschlag nehmen. Besprechen sie sich mit den Oberfischmeister und fahren sie heute Nachmittag mit den Leuten raus und sehen sie es sich genau an, lassen sie die Leute einen Zug machen. Denken sie nicht an Tradition und Althergebrachtes, sondern an Fortschritt!”

Gollatz und wir machten uns ab, um 13:30 Uhr an Bord zu sein. Wir hatten nach dem Zugzettel Noer 4. Da hier die ganze Zeit keine Waade gefischt hatte, wollten wir dorthin, um den Fischmeister Gollatz den Versuch vorzuführen. Er kam mit seinem „H. Schnorr” (nach dem Lübecker Dichter Heinrich Christian Schnoor?) dorthin und legte sich auf Noer 5 vor Anker. Als wir auf unserem Zug lagen, kam er mit dem Dinghi und stieg bei uns an Bord. Um 14:45 Uhr liefen wir langsam ab und fingen außerhalb der Schaarkante mit dem Suchlot an zu suchen, ob Fische vorhanden waren. Beim zweiten Knopp (120 Faden) ab spürte ich etwas an Fischen. Wir liefen nach Land, drehten eben nach 15:00 Uhr ab und setzten zwischen dem 2. und 1. Knopp (100) die Waade aus. Ohne eine Störung waren wir mit beiden Booten zur gleichen Zeit vorm Land, wo wir unsere Anker auswarfen. Der Fischmeister Gollatz wunderte sich über das Aussetzen der Waade, dass alles so gut klappte. Als die Ankers belegt waren, wurde die Winde eingeschaltet und mit dem Blindlauf des Motors die Waade rangewunden. Dass alles so gut ablief, konnte er nicht begreifen

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Nach knapp einer Dreiviertelstunde hatten beide Boote die Waade erreicht. Es wurden über die Spillköpfe der Winde die Ankers eingehievt. Als das geschehen war, liefen wir mit den Booten etwas zusammen und setzten die Ankers wieder aus, warfen das Qastau ? über und die Motorwinde holte die Waade zusammen, bis die Bogen an der Bordwand waren. Nun konnten wir zwei Längen der Waade lose mit der Hand einholen. Die Waade wurde weiter durch die Beiläuferleine mit der Winde eingezogen. Zwei Mann auf jedem Boot holten nun wieder das lose Netzgarn der Waade ein. Einige Sielen und Vollheringe waren in den Bössen. Als die Waade nun ohne Unterbrechung bis zu 2 Kehllängen eingehievt war, wurde der Rest mit der Hand eingezogen. Nach dem Fischwark in den Bössen musste ein guter Fang drin sein. Wir schlugen den Hamen auf, schätzten den Fang, als wir die Kielen ? im Boot hatten und die Pinne ? hoch kam auf 2.000 Pfund. Als wir den Fang an Bord hatten, konnten wir mit 2.500 Pfund rechnen. Es waren Sielen mit einem großen Teil Vollheringen dazwischen. Der Fischmeister sagte, dass er erstaunt sei, wie alles so funktioniere, er aber bezweifle, dass wir damit durchkämen beim Fischereigesetz, wo doch explizit ein Verbot mit motorbetriebener Fischerei innerhalb der Hoheitsgewässer vermerkt ist. Er sagte, er würde mit dem Ober(fischmeister) über die Sache sprechen, dass es nicht ausgelegt werden könne, als sei es ein Schleppvorgang, denn immerhin lägen die Boote vor Anker, nur dass die Waade durch den Motor statt wie üblich mit der Handwinde herangezogen würde. Gestört und behindert würde auf den Waadenzügen durch den Motorbetrieb keiner. Nachdem er es sich angesehen hätte, sei es wirklich eine große Erleichterung für diese Art Fischerei. Er bekam noch eine Kiste mit Fischen und ruderte zurück zu seiner „H. Schnorr”.

Wir liefen nochmals ab und suchten mit dem Suchlot nochmals den Zug ab. Es war nichts zu spüren, so liefen wir dem Hafen zu. Am nächsten Morgen, Donnerstag, den 27.10., fuhren wir wieder nach Noer zu. Da wir alleine auf dieser Station blieben, suchten wir von Noer 1 zwischen 60 und 120 Faden die Züge nach Fischen ab. Am Anfang hatte ich vereinzelt welche am Lot, auf Noer 6 drehten wir nach Land zu und kamen dabei näher ran und spürten zwischen Noer 2-3 etwas mehr am Lot. So setzten wir hier etwa 80-90 Faden ab die Waade aus. Der Zug brachte 1.500 Pfund derselben Sorte wie gestern Nachmittag. Wir liefen nochmals ab und setzten auf Noer 1 aus, der Zug brachte 400 Pfund.

Die einzelnen Waaden hatten auf Kronsort und Scheidezaun, so wie auch auf der Nordseite Fänge von 1.000-2.500 Pfund im Morgenzug gehabt. Um 11:00 Uhr war beim Vorstand des Waadenvereins vom Oberfischmeister aus Kiel die Nachricht per Telefon gekommen, dass die Waadenfischerei mit Motorbetrieb ab sofort untersagt sei. Wir hatten damit gerechnet, legten aber doch schriftlich einen Protest ein und baten um eine nähere Begründung des Verbots. Da unser neu instandgesetztes Boot klar zum Einsatz hinter der Holzbrücke lag, holten wir es bei uns längsseits. Die Waade nahmen wir ganz bei uns an Bord. Die Waadleinen wurden vom Boden geholt und anschließend an den Handwaaden angebracht. Anker und Taue hatten wir übernommen, zum Mittag halb eins Uhr waren wir mit allem klar, gingen nach Hause und wollten um 2 Uhr am Hafen sein, um für den Nachmittagszug auszulaufen, die Umstellung hatte keine zwei Stunden gedauert -

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auf diesem Wege konnten unsere Gegner uns jedenfalls keinen Tort antun. Wir liefen nach Kronsort 6, unserem zugeteilten Zug. Alle Waadenzüge von Kronsort nach innen von uns und die Scheidezaun-Züge nach außen von uns waren alle besetzt. Bis zum Aussetzen war noch eine Dreiviertelstunde Zeit, so suchten wir mit dem Fischlot von 1 Knopp bis ungefähr zur Schaarkante den Zug ab, dann wurde es aber auch Zeit zum Ablauf mit den andren Waaden, die schon klar lagen, innerhalb vom zweiten Knopp hatten wir einige Fische am Fischlot gespürt. So setzten wir die Waade auf 150-160 Faden ab aus, wie einige andere Waaden es auch taten, die meisten setzten bei zweiten Knopp aus (120 Faden). Unser Fang war 1.000 Pfund Sielen mit einigen Sprotten vermischt. Es war bei allen Waaden, die hier auf der Süd ausgesetzt hatten, der Durchschnittsfang.

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