Geschehnisse und Erlebtes im Eckernförder Hafen in der Zeit vor dem 1. Weltkrieg
In den Jahren herrschte bei uns am Hafen nicht nur durch die Fischerei, sondern auch durch die Schifffahrt ein reger Betrieb durch all die vielen Ewer und Jalken, die Korn aller Arten, Futtermittel und Palmkuchen sowie Mauersteine, Dachziegel usw. im Hafen löschten. Die meisten Ewer hatten an der Elbe ihr Zuhause in Wischhafen, Krautsand, Dornbusch, Bützfeet, Cranz, Glückstadt usw. Von den Jalken waren die meisten in Holland zu Hause.
Auch die bei uns beheimateten kleinen Frachter sowie viele Schiffe aus den Ostseehäfen und Dänemark – ob Kajarsen oder Schoner –, die alle in der Küstenfahrt tätig waren, waren damals nur auf Segelbetrieb angewiesen. Eine große Rolle spielten die Frachten von und nach den dänischen Häfen. Viele dieser Küstenfrachter waren aus Ekensund und brachten von dort Baumaterial wie Mauersteine und Dachziegel von den Ekensunder Ziegeleien nach Eckernförde. Einige der kleinen Frachter waren auch mit der Steinfischerei beschäftigt. Die Felsen wurden für Böschungen, Molen und Hafenanlagen verwendet.
Ende Mai, Anfang Juni, wenn die nördliche Ostsee frei von Eis war, kamen die größeren Zwei- und Dreimastbarken mit ihren Ladungen an Holz – Balken, Sparren, Latten, Bohlen und verschiedene Bretter – aus Schweden und Finnland in unseren Hafen. Meistens waren diese Schiffe alte Veteranen, die durch all die vielen Lasten, die sie in ihrem Dasein befördert hatten, schon krumm im Deck lagen, aber für die Holzfahrt in der Ostsee noch verwendungsfähig waren. Es waren vereinzelt auch noch gute und stabile Schiffe darunter, die dreimal im Sommer unseren Hafen ansegelten – vor allem war es die Dreimastbark „Helmi“ aus Raumö, die Eckernförde viele Jahre besuchte und bei Kriegsbeginn 1914 mit noch ein paar weiteren alten Dreimastbarken aus Finnland bei uns im Hafen interniert wurde. Drei Schiffe wurden in der „Rehtwiese“ verankert, die „Helmi“ im Binnenhafen festgelegt. Von den Besatzungen meldeten sich die Jüngeren freiwillig beim Militär zum Kampf gegen Russland. Der Kapitän der „Helmi“ hat eine ganze Zeitlang im Krieg bei dem Fischer Heinrich Föh vom Pferdemarkt mitgefischt.
Wenn die finnischen Holzschiffe im Hafen lagen, hatten wir Jungs immer etwas Angst vor den Finnen, wenn sie unter Alkohol standen. Waren sie nüchtern, fragten wir nach Schifferkeks oder Hartbrot, und wir bekamen immer einige der harten, runden Brotfladen, die uns schmeckten, als wären es Kuchen. War die Decksladung gelöscht, so wurden die Schiffe quer zum Hafen verholt und mit einem Anker achteraus vertäut, mit dem Vordersteven zum Kai, wo ihr Klüverbaum weit übers Brückengelände ragte. Vorne wurde die Ladeluke geöffnet und die ganze Balkenladung aus dem Schiffsraum über Rollen mit kurzen Pikhaken gelöscht. Das ging aber nur an den Schiffstellen, von denen damals mehrere im alten Bollwerk für diese Zwecke vorhanden waren.
Mehrmals im Monat kamen die Kohlendampfer mit Grob- und Nusskohlen aus Hull und Newcastle in England, um ihre Steinkohlenladung für die Firma Lud. Krah oder John Clausen zu löschen. Als Kohlenlager standen beiden Firmen große, breit und lang angelegte Holzschuppen am Hafen zur Verfügung. Vor und in den Kohlenschuppen standen die großen und starken, 4–5 Meter hohen Stellagenböcke. Diese wurden, wenn einer der Kohlendampfer angemeldet war, vom Schuppen bis zum Bollwerk aufgestellt und mit dem schweren dazugehörigen Bohlenbelag abgedeckt, mit Anschluss an die im Inneren des Schuppens aufgestellten Stellagenböcke. Die starken und stabilen Schiebekarren wurden dann auf der fertiggestellten Fahrbahn fürs Löschen bereitgestellt, ebenso wie die hölzernen Löschtonnen, die mit einem Kippbügel und großen Kohlenschaufeln versehen waren.
Wenn der Dampfer einlief, wurde er an der richtigen Stelle vertäut. Sobald alle Hafen- und Zollformalitäten erledigt waren, konnte das Löschen beginnen. Die dafür abgeteilten Leute stiegen an Bord – die Schaufler, Winschleute für die Dampfwinde, die Geibedienungsleute für den Ladebaum. Sobald die Luken geöffnet waren, begann das Löschen. Die vollgeschaufelten Tonnen wurden mit der Dampfwinde am Ladebaum hochgehievt. Die Geileute dirigierten den Ladebaum mit der vollen Tonne so, dass diese in die bereitstehenden Schiebekarren eingekippt werden konnte. Die Löscharbeit ging wie am Fließband – eine Tonne nach der anderen wurde hochgehievt und gekippt, Schiebekarre um Schiebekarre mit Kohle beladen auf der Stellagenbrücke zum Schuppen gefahren, am Ende des Schuppens nach links und rechts abgekippt, sodass sich im Inneren allmählich eine immer größer werdende Kohlenhalde bildete.
Dass beim Einkippen der vollen Tonnen in die Karren oftmals mehrere Kohlenstücke über die Kante der Stellagen aufs Brückengelände fielen, war nicht zu vermeiden. Ebenso fielen von den vollgeladenen Schiebekarren, die ständig zum Schuppen fuhren, durch Bewegung des Bohlenbelags manche Kohlenstücke über die Stellagenkante. Unter den Stellagen passten Jungs und Mädchen auf, mit ihren Körben und Beuteln so viel wie möglich von den heruntergefallenen Kohlen zu erhaschen – vorausgesetzt, die Luft war rein. Wurden sie erwischt, musste die aufgesammelte Kohle in den Schuppen gebracht werden. Es war aber auch riskant, unter der Stellagenbrücke Kohle aufzusammeln – es konnten dabei größere Stücke auf die Köpfe fallen. Die größeren Säcke hatte jeder zwischen den großen Buchenstämmen, die hinter den Kohlenschuppen lagerten, versteckt. So hatten sie, wenn man sie erwischte, nur wenig Kohle im Beutel oder Korb, denn alle waren so gewitzt, dass sie, sobald eine lohnende Menge darin war, schnell damit zum versteckten Sack liefen.
Der alte Clausen (als „Soltkoker“ bekannt) stand mitunter stundenlang auf dem Brückengelände und beobachtete die Schiebekarrenleute, ob sie vielleicht absichtlich Kohle herunterfallen ließen, denn er schimpfte über jedes Stück, das herunterfiel, mit den Leuten herum – sie sollten besser aufpassen. Gewöhnlich fiel aber gerade dann noch mehr Kohle als sonst. Es wurde mehrmals ein Vorfall mit dem alten Clausen erzählt, der sich wie folgt zugetragen haben soll:
Ein Kohlendampfer war fast leer – bis auf den Rest, der zusammengerakt wurde. Der alte Clausen wollte sich aber selbst überzeugen, ob tatsächlich alle Kohlen heraus waren. Es war morgens, eben vor Frühstückszeit, als er sich in einer Tonne in den Laderaum herunterhieven lassen wollte. Statt die Tonne herabzuhieven, hievte der Winschmann sie nach oben, bis sie am Ladebaum zu Block war. Dann rief der Mann an der Dampfwinde die Frühstückszeit aus – und Clausen ließ man oben in der Tonne stehen, bis die Frühstückszeit zu Ende war. Das Geschimpfe, das Clausen in der Tonne von sich gab, rührte den Mann an der Winde nicht. Er ließ sich nicht erweichen und warnte jeden davor, an die Winsch zu gehen, um die Tonne zu hieven. Als die Frühstückszeit beendet war, hievte er die Tonne zum Laderaum hinunter. Der alte Clausen soll sehr zornig aus der Tonne gestiegen sein und hatte jeden Schaufler im Laderaum über jedes Kohlenstück, das er in den Ecken fand, grob angemeckert. Als er wieder an Deck gekommen war, soll er die sofortige Entlassung des Winschmanns und seiner Kumpane ausgesprochen haben. Aber die hatten dem alten Geizhals erst einmal eine Lektion erteilt. Da diese Geschichte mehrmals erzählt wurde, hat sie sich wohl auch so abgespielt. Der Mann an der Winsch war der alte Ide Lohmann, der für solche und andere Adschewiners bekannt gewesen ist.
Die erwähnten Kohlenschuppen mit den dort lagernden Kohlen fielen im Jahre 1912 dem Großfeuer zum Opfer, das in der Sägerei und Kistenfabrik Lienau entstand. Der Großbrand dauerte mehrere Tage. Zum Löschen der brennenden Kohlenhalden wurde durch Vermittlung von Prinz Heinrich eine Löschgruppe der Marine eingesetzt, die mit Asbestanzügen ausgerüstet war. Sie kam mit dem Depeschenboot der Marine – es war die SMS „Sleipner“.
Bei diesem Feuer waren auch Kieler Feuerlöschtrupps eingesetzt. Niemand hatte wohl damit gerechnet, dass es sich zu einem Großfeuer ausbreiten würde, da es windstill gewesen war. Es standen jedoch dicht beim Brandherd viele Holzschuppen und Lagerräume mit Pferdeställen, sowie Räucherholz und Fischkisten – alles, was wie Zunder brannte. Die Feuerwehren hatten genug zu tun, das Feuer auf die Brandstätte zu beschränken, damit es sich nicht über die Straße zu den Wohnhäusern fraß. Am Bollwerk lag eine finnische Dreimastbark, die verholt werden musste, da sie in Gefahr war. Bei diesem Großfeuer hatte Eckernförde viel Glück, dass es windstill war. Hätte an den Tagen Ostwind geherrscht, wäre es zu einer Katastrophe gekommen – und von Eckernförde wäre nicht viel übrig geblieben.
Die Kohlenschuppen wurden im Massivbau an derselben Stelle wieder aufgebaut. Lienau musste seinen Betrieb nach außerhalb der Stadt verlegen. Die Holz- und Kistenschuppen sowie die Pferdeställe wurden ein wenig verlagert in alter Weise wieder aufgebaut.
Nachsatz des Herausgebers: Hingewiesen wurde auf den Aufsatz von Hans Wulff „Kohlenlöschen in Eckernförde“ im dies. Jb. 20/1962, S. 55/56, sowie auf das Bild „Kohlenlöschen an der Schiffbrücke in Eckernförde“ im gleichen Jb., S. 32.