Das Verschwinden des Seetangs
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Das plötzliche Verschwinden des Seetangs
Bis in die 20er Jahre war längs der Küsten überall sehr viel Seetang gewachsen, dass er stellenweise auf 2-3 Meter Wassertiefe in den Sommermonaten an der Oberfläche platt lag. So auch an einigen Stellen in unserer Förde, hauptsächlich in der Innenförde, bei uns in der Rehtwiese, im Hafen auf der Grasbank und am nördlichsten Ende vom Dang. Es war so bewachsen, dass bei normalem Wasserstand der Tang noch meterlang an die Oberfläche ragte. Südlich vom Steenacker wurde der Tangbewuchs etwas weniger, da hier die Schaarkante steiler abfiel und auf 3-5 Meter noch reiner Sandgrund ohne Tang bis stellenweise nur mit kurzem Tang bewachsen war.
Auf diesem Gebiet wurden die Waadenzüge von September bis in den April befischt, wie auch die Waadenzüge an der Nord- und Südseite unserer Förde. Vielleicht hatte hier die Waadenfischerei einigen Einfluss auf das Wachstum des Tangs. Wenn vor und eben in den 20er Jahren die stürmischen Ostwinde wehten, wurde längs der Küsten viel Seetang durch See und Brandung losgerissen. Von überall her trieben dann größere und kleinere Flächen vom langen Seetang in unsere Innenförde. Diese Flächen vergrößerten sich mehr und mehr, je weiter sie nach innen trieben und sich durch den Seegang immer dichter zusammenrollten, bis sie längs dem Strand angespült wurden.
Stürmte es aber mehr aus Südosten, sammelten sich die großen Tangmassen immer mehr bei uns im Hafen an. Der Seetang presste sich so dicht ineinander, dass er sich im Hafen bis zu 1 Meter dick zusammenrollte und sich vom Steindamm bis zum Außenhafen ablagerte.
Alle Fischerboote, die sich vor dem Oststurm hinter der Holzbrücke im Binnenhafen einen Schutz suchten, mussten, wenn der Sturm abgeflaut und beendet war, sich mit ihren Booten durch den Tang hinaus quälen. Ihre Riemen zum Rausrudern zu gebrauchen, war unmöglich in den Tangmassen. Auch für die Boote, die schon einen Motor hatten, war es schwierig. Die Schraube wickelte sich so voll, dass der Motor stehen blieb, bevor man die Schraube auskoppelte. Sie musste immer wieder vom Tang mit einem kleineren Bootshaken freigemacht werden.
Wenn die Handwaden in Betrieb waren und der Hafen voller Seetang, wurde von einem Boot aus die ganze Wade im Mackerboot geholt. Dann wurde die Wadeleine mit dem Tampen außerhalb aller Boote, die am Kai lagen, bis zur Holzbrücke gebracht und dort an einem Pfahl der Holzbrücke beim Einlass befestigt. Vom Boot aus wurde die Leine auf der Winde aufgewickelt. Wenn die Leine straff auf Kraft war, zog sich das Boot langsam über den Achtersteven durch den dichten Tang, allmählich zur Holzbrücke hin.
Hinter diesem Boot hatten sich mehrere Boote kurz hintereinander festgemacht. Sie folgten leicht durch die geschaffene Spur. So arbeitete man sich erstmal bis zur Holzbrücke. Von dort aus wurde die Leine unter der Brücke durch bis zur Fischerstraße oder gleich bis zum letzten Festmacherpfahl vor dem Schützstall gebracht und dort befestigt. Es wurde die Leine wieder aufgewickelt bis zum Tampen.
Gewöhnlich war der Tang hier nicht mehr so dicht wie nach drinnen zu. Meistens war man dann auch schon an der äußeren Grenze des Tangfeldes. Alle nachfolgenden Boote hatten es nicht mehr so schwer, durch die aufgelockerte Tangbarriere zu kommen.
Stellte sich nach dem Ostwind gleich Westwind ein, trieb der Tang von selbst wieder raus, erst recht, wenn der Tunnel von Noor anfing zu laufen. Dieses Vorkommen mit dem Seetang stellte sich in damaliger Zeit bei jedem Oststurm ein, mal mehr, mal weniger. Es war aber doch immerhin ein Übel.
Unser Hafen war bei stürmischem Ostwind immer ungeschützt. Es hatte solange gut gegangen, bis die Grasbank noch da gewesen war, wo die einlaufende See bei starkem Südost schon einen Teil ihrer Wirkung abdämpfte.
Als aber im Ersten Weltkrieg die ganze Grasbank, dazu noch ein Streifen an der Nordseite des Außenhafens, tief ausgebaggert wurde, war kein Schutz mehr vorhanden. Die einrollende See lief bis in den Binnenhafen durch.
Alle dringenden Forderungen der gesamten Eckernförder Fischerei an den Staat wurden endlich Anfang der 1930er Jahre angenommen und es wurde begonnen, eine Schutzmole zu bauen. Von der Fischerei war gefordert worden, dass die Mole bis weit ins Fahrwasser des Hafens reichen müsste, um die einlaufende See zu ihrem größten Teil abfangen zu können.
Als die Mole gebaut war, stellte sich nach der Fertigstellung heraus, dass die Mole nicht den Forderungen der Fischerei entsprach. Sie brachte beim Sturm von östlichen Winden keinen Schutz für den Hafen und noch viel weniger für das Borbyufer an der Nordseite des Hafens.
Die Fischerei hatte immer wieder darauf gedrängt, dass eine weitere Mole von der Borbyerseite aus gebaut werden müsste, um die Hafeneinfahrt zu verkleinern um so mehr Schutz für das Borbyufer zu schaffen. Aber leider war der Staat nicht für dieses Objekt zu bewegen, obwohl der natürliche Schutz unseres Hafens durch den Staat beseitigt worden war.
Mitte der 20er Jahre war es plötzlich mit dem Seetang überall an den Küsten zu Ende. Ob in den Förden, an den offenen Seeküsten oder entlang der dänischen Inselküsten – der Tang starb aus. Es wurden verschiedene Ursachen dafür angegeben. Einmal waren es abgesackte Ölsubstanzen, dann sollte es eine kleine Schneckenart gewesen sein, die den Tang an der Wurzel abfraß und daran Schuld hatte. Ich glaube nicht, dass man eine stichhaltige konkrete Ursache dafür festgestellt hat, weshalb der Seetang damals so plötzlich verschwand.
Mit dem Tang damaliger Zeit haben sich überall mehrere Familien davon ernährt und sich damit eine Lebensgrundlage geschaffen. Bei uns in Eckernförde waren mehrere Tangfischer tätig. Unterhalb vom Exerzierplatz am Strand war ein langer und breiter Streifen mit Strandhafer bewachsen. Hier brachten die Tangfischer ihren aufgefischten Tang zum Trocknen hin. Der Tang wurde vom Blasentang gereinigt, der vielfach dazwischen gemischt war, und extra an einzelne Fabriken verkauft, die daraus Jod erzeugten.
Es gehörte viel Mühe und Arbeit dazu, ehe der Tang durchgetrocknet war. Er musste vielmals gekehrt werden, bis es soweit war, dass er mit der Tangpresse zu einem Ballen zusammengepresst werden konnte. Die fertigen Ballen wurden dann zu Diemen aufgestapelt und mit großen Persenningen abgedeckt, bis sie verkauft und in Waggons verladen wurden.
Eine kleine Erläuterung zum Tang, ein Naturprodukt, ohne den unser Eckernförde wohl nie entstanden wäre: Denn der Tang ist doch die Hauptbausubstanz gewesen, der die Sandbank gegen die anlaufende See geschützt und so mit immer vergrößert und stabiler gemacht hatte. So schuf er die Basis, dass die Sandbank sich zu einer Nehrung vergrößerte und dadurch von Menschen besiedelt werden konnte. Eine Version, die man ruhig als Tatsache annehmen kann.
Fr. Daniel