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Betrachtungen über den Fischbestand

Nebenbei eine kleine Abhandlung über das Verhalten der Fischschwärme in unserer Förde vom Winter und im Frühjahr, wenn sie bei uns die Förde verließen.

Mit großem Interesse habe ich in den damaligen Jahren über das Verhalten der Fischschwärme mit meinem Vater, Fiete Mumm und weiteren älteren Fischern gesprochen. Alle erklärten, dass wenn große Fischmassen den Winter über in der Förde waren, diese in den letzten Märzwochen oder im April ihre große Wanderung aus unserer Förde

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heraus antraten. Meistens wurden vorher noch mehrere Großfänge auf den äußeren Waadenzügen am Steinwall gemacht, denn die Fischschwärme wanderten meistens an der Nordseite der Förde längst der Schaarkante, dann über den steinigen Grund um Boknis herum ab. Den nächsten Tag war die Fischerei mit größeren Fängen dann vorbei gewesen. Ich fragte die alten Fischer, ob dasselbe Verhalten der Fische auch auf der Südseite der Förde im selben Maße geschehen sei. Alle sagten, es sei auch dort mehrmals geschehen, aber gewöhnlich etwas früher im Mitte Februar bis Anfang März. Es waren aber hauptsächlich Sprottenschwärme gewesen, die dann nach 3-4 Tagen in der Strander Bucht sich plötzlich mit größeren Sprottenfängen der Handwaaden wieder bemerkbar machten. Sie erzählten aber auch, dass es vorgekommen sei, dass große Sprottenschwärme, die in der Förde standen, im Winter plötzlich durch die Nordkehle harauswanderten, dann um den Mittelgrund herum und wieder in die Südkehle einwanderten, denn auf Noer, Hegenwohld, Lindhöft und bis zur Aue rein. Dort wurden dann große Sprottenfänge mit der Handwaade auf den benannten Waadenzüge gemacht. Die Beweise von diesem Geschehen brachten die Sprottnetzfischer, die mit ihren Stellnetzen der Rundreise der Sprottenschwärme um den Mittelgrund mit sehr guten Fängen gefolgt waren.

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Deshalb war ich überzeugt, dass doch ein Instinkttrieb die Fische zu ihren Wanderungen veranlasste.

Der Winter 1923 mit den gewaltigen Fischschwärme in der Förde hatte gezeigt, durch den Einsatz des Suchlotes, wie wechselhaft das Verhalten der verschiedenen Arten der Blankfischschwärme bei ihren Wanderungen war. Einige der großen Schwärme drangen bis in den innersten Teil der Förde ein und hielten sich dort wochenlang auf. Andere schwärme hatten ihren Standort in der mittleren Förde, von wo sie ab und zu Vorstöße zur Küste nahmen und dort Handwaaden ins Netz gingen. Die äußere Grenze, von der die Fischschwärme sich innerhalb aufhielten, war von Karlsminde quer über die Förde bis zum Scheidezaun.

Die Fischschwärme verteilten sich über die ganze Breite der Förde, so wurden auf der Nordseite wie auf der Südseite oftmals die größeren Fänge der einzelnen Arten von den Kameraden zu gleicher Zeit gemacht. Mit der Ringwaade durfte in diesem Gebiet nicht gefischt werden, diese Fischerei durfte nur außerhalb von der von der Regierung festgelegten Grenze betrieben werden. Die Grenze war erst mal auf jeder Seite

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der Förde 500 Meter von der Schaarkante ab, dann quer über die Förde nach Landmarken. Im Süden war das die Lindhöfter Mühle Außenkante am Tannenhöft, im Norden dort, wo das Ludwigsburger Schloß eben außerhalb der Ostkante vom Karlsminder Gehölz peilte. Diese Grenze lag höchstens 1500 Meter vor der vorher genannten äußeren Grenze, innerhalb der sich die Schwärme aufhielten. Viele Tage, ja wochenlang wurden von den Ringwaaden außerhalb dieser Grenze keine Spur von Fischschwärmen durch ihre Suchlote aufgespürt. Dann, plötzlich, fingen in verschiedenen Abständen die einzelnen Schwärme an zu pendeln.

Eines Tages konnten die Ringwaaden gleich an der Grenze und bis zu 500 Meter davon ab ihre Waaden aussetzen und gute Fänge erzielen, den nächsten Tag auch noch, dann war die Fischerei aber plötzlich für mehrere Tage wieder vorbei. Danach stand eines Morgens ein Großteil der Fische außerhalb der Grenze und wanderte sogar bis querab von der Langhöft-Tonne. Und den nächsten Tag standen die Fischschwärme wieder weiter nach innen und die Ringwaadenfischerei war für mehrere Tage wieder vorbei. So pendelten die Fischschwärme bis in den März hinein noch mehrere Male hin und her, bis Mitte März die Fischschwärme in größerer Anzahl allmählich weiter nach draußen zu wanderten, über eine breite Fläche der Förde.

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So war es auch am Großfangtag, den 23.3.1923. Alle Ringwaaden suchten von Langholz querab eine Waade neben der anderen, einzelne bis nach Boknis raus. Erst hatte niemand etwas am Lot, und eine gute halbe Stunde später hatten alle 59 Ringwaaden ausgesetzt. Auf dem Gebiet von eben innerhalb der dritten Meilentonne bis zur Spitztonne der Nordwestecke vom Mittelgrund. Und sie erzielten alle sehr gute bis riesige Fänge. Die großen Fischschwärme hatten sich anscheinend bei ihrer Wanderung aus der Förde an der Schaarkannte auf den äußeren Waadenzügen vom Steinwall gesammelt, um gemeinsam die große Wanderung anzutreten. Denn wo sonst waren plötzlich die großen Schwärme hergekommen, wo eine halbe Stunde zuvor kein Boot eine Spur von Fischen gehabt hatte?

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Alle Sucher erzählten, sie wären nur kurze Zeit in der Jolle gewesen und hätten gleich viele Fische am Lot gehabt.

Nach diesem Rekord-Fangtag habe ich mir einmal selbst die Frage gestellt, wodurch diese Unruhe, diese ganze Pendelei der Fischschwärme, egal ob Sprotten oder Heringe ausgelöst wurde. Hatte es an der Nahrung (Plankton) gelegen, dass diese durch die verschiedenen Strömungen im Wasser hin und her versetzt wurde und die Fischschwärme ihrer Nahrung immer je nach Richtung gefolgt waren? Oder war es eine instinktmäßige Angst gewesen vor der Gefahr, gefangen zu werden, welche die Fische dazu trieb? Da niemand diese Frage beantworten konnte, sollte die Natur diese Rätsellösung wohl für sich behalten.

Im Mai setzten wir unser Boot Ecke 34 mit dem Kran aufs Land, um es zu überholen. Mitte Mai setzten wir es wieder zu Wasser, brachten unsere Heringsnetze an Bord, fischten in der Südkehle und unter Nieby. Es wurden Fänge von 180-400 Pfund gemacht. Wir hatten aber an einigen Tagen so viel Dorsche mit auf den Netzen, so dass es viele zerrissene Netze gab. Deshalb schieden mehrere Fischer mit uns von der Heringsnetzfischerei aus.

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Wir und drei andere Boote machten sich klar für die Buttfischerei. Der Handel mit großen Goldbutt nach Sonderburg und sonstige dänische Häfen war vorbei, denn die dänische Krone war auch in den Sog der Inflation geraten.

Für uns persönlich war aber die Nachricht ausschlaggebend, welche uns aus Sonderburg erreichte. Sie kam von der Tochter von P. J. Hansen. Sie übermittelte uns, dass ihr Vater im April verstorben sei und sie das Fischhandelsgeschäft aufgegeben und verkauft hätte. Alle drei bedauerten wir diesen Fall tief. P. J. Hansen war zwei Jahre in den Sommermonaten ein fairer Fischhändler für uns gewesen. Es hatte eine sehr gute Partnerschaft bestanden zwischen ihm und uns.

So mussten die Märkte von Kiel, Flensburg und Eckernförde für unsere Buttfänge in Frage kommen. Die Buttnetzfischerei war in diesem Sommer nicht erfolgreich, abgesehen von einigen günstigen Fängen auf einzelnen Fangplätzen, wo wir mit Glück einige Überraschungsfänge erzielten. Im Allgemeinen war die Goldbuttfischerei gegenüber den zuvorigen beiden Jahren bedeutend schlechter geworden.

Im August fingen wir an, viel unter Laaland zu fischen nach Goldbutt und Struffbutt. Letztere waren dort von bester Qualität. Die Fanggründe waren eine gute Nahrungsquelle für Plattfische, da der ganze Grund mit lauter kleinen Miesmuscheln übersät war, die aber nicht größer wuchsen. Jedes Jahr, wenn dort gefischt wurde, waren die Muscheln dort immer gleich

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Gleich groß gewesen.

Im ersten Weltkrieg seien die Muschelgründe unter Laaland eine Weide für heranwachsende Goldbutt gewesen, so erzählte mein Vater. Denn als er beim Sicherheitskommando des Küstenschutzes war, habe er wie Fr. Vohs und Ernst Plambek dort oftmals nach Butt gefischt, aber immer nur kleine Goldbutt in größeren Mengen dort angetroffen, woraus sie sich die wenigen größeren Butt herausgesucht, die kleinen aber sofort wieder ihrem Element übergeben hatten. In den drei Jahren hatten sie dort immer wieder die kleinen Butt angetroffen, wenn sie für ein paar Mahlzeiten, die sie in die Bünn setzten, einen Drift dort gemacht hatten, denn dieser Fangplatz hatte nur ein paar Seemeilnen von ihrer Wachposition ab gelegen.

1918 im Juli hatten Joni Thies, J. Lietz und ich im großen Belt südöstlich von Keldsnor Feuerturm nach großen Butt gefischt. Unser Fangergebniss an diesem Tag war sehr schlecht gewesen, obgleich wir die Tour zuvor einen Fang von 2.000 Pfund große Goldbutt dort gehabt hatten. Wir hatten dann morgens vor Laaland ein Fischerboot mit Segel auf gesichtet. Lietz hatte gemeint, ob er dort vielleicht etwas finge. Bei einer guten Stunde waren wir bei dem Boot gewesen, es war aus Apenrade mit zwei Gebrüdern drauf. Lietz hatte gesagt, das seien ein paar böse Brüder.

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Lietz hatte sie angesprochen, ob was zu fangen sei, beide hatten uns herübergebrüllt: „Setzt aus, eine Masse Butt zu fangen.” Lietz hatte nachgefragt, welche Rasse. Beide hatten gebrüllt: „Alles gute Butt.” Wir hatten unser Geschirr ausgesetzt, als es angefangen hatte, enger zu werden, hatten wir aufgeholt, es waren nur winzige Butt im Netz gewesen, mindestens 600-700 Pfund. Thies hatte gesagt: „Das sind ja alles nur Buttkinder!” Wir hatten die Butt gleich über Bord geschüttet. Die Buttkinder hatten ihre Freiheit wiedergehabt. Was diese Brüder dort betrieben hatten, war Raubfischerei gewesen.

Bis zum Herbst fischten wir noch vielfach unter Laaland, von Eckernförder Booten hatten wir dort keine Konkurrenz, höchstens mal von Friedrich und Wilhelm Vohs und Ernst Plambek, beide aus Laboe. Wir fischten dort nach Dorsch, Struffbutt und Goldbutt. Die meisten knap die Hälfte vom Buttfang waren.

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Wenn wir dort fischten, war es meistens nachts, hauptsächlich bei Mondschein, aber auch hatten wir bei Nebel dort gefischt, da wir dort unter der 20-Meter-Grenze fischten, wurden wir von der Schiffahrt nie gestört. Wenn wir des Nachts vom Fangplatz nach Kiel unterwegs waren und das Wasser feuerte, stand ich oft am Bug, um nach Fischschwärmen auszuschauen. Oftmals trafen wir in der Howachter Bucht, südlich vom Millionviertel und gegen Schönberg ab, wie auch im Kieler Deep und querab vom Steinersand, größere und kleine Fischschwärme an. Mit der Handwaade wurden in der Kieler Förde, wie auch bei uns in der Förde, Fänge von 2.000-3.000 Pfund auf den einzelnen Waade gefangen. Vielfach Mischware, Sielen mit Heringen, Sprotten rein und mit Juchers (Sekunda). In der letzten Oktoberwoche brachten wir auch unsere Waade ein. Als im November plötzlich die Inflation ein Ende fand, machten wir mit unser Handwaade im Morgenzug vom Westwall auf dem Schaarzug einen Fang von 1.200 Pfund reine Sprotten. Dafür bekamen wir auf der Auktion 1,65 Rentenmark fürs Pfund. Das alte Geld war nichts mehr wert; für eine Billion gab es eine Rentenmark festes Geld.

Als wir zum Nachtzug nach Kronsort 5 liefen, sahen wir innerhalb von der Ringelnatter überall Fische feuern. Der Zug auf Kronsort brachte keinen Fang, so liefen wir einwärts zum Westwall zu und sahen

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ein paar kleine Dutts von Fischen feuern. Wir waren höchstens 120 Faden von der Kante ab, liefen nach Land zu, nach 20 Minuten, als die Zeit zum Aussetzen war, liefen wir ab und setzten die Waade 150-160 Faden ab aus. Als wir die Waade einzogen, hatten wir auf beiden Armen der Waade einzelne Sprotten als Bestick. Das Bestick vermehrte sich nach dem Hamen zu aber nicht, es musste doch ein eher kleiner Fang im Hamen sein. Der Fang belief sich auf 1.280 Pfund reine Sprotten, wie ich schon erwähnte, es war ein Fang von gut 2.000 RM. Nach drei Tagen, als mehrere Sprottenfänge an den Markt kamen, brachten sie nur noch 80 Pfennig. Die nächste Woche nur noch 60 Pfennig. Obgleich die angelandeten Sprottenfänge bedeutend kleiner waren als die Tage zuvor, als sie 80 Pfennige pro Pfund kosteten. Es war nun mal eben so. Jeder wollte etwas verdienen, wenn es möglich war, aber der Fischer musste immer mit dem zufrieden sein, was für seine Ware auf der Auktion geboten wurde. Oftmals wurde dabei mit den Augen geblinkt, das bedeutete, wenn ein paar am bieten waren, nicht höher mit dem Preis, wir teilen uns die Ware und so ähnlich.

Mit den Handwaaden wurde bis Weihnachten die ganze Zeit auf beiden Seiten der Förde mittlere bis gute Fänge erzielt. Fänge von 2.000-6.000 Pfund von einzelnen Handwaaden, die gerade Glück hatten, aber vor Weihnachten brachten auch einige Ringwaaden 5.000-8.000 Pfund an Land.

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