Beginn der Ringwaadenfischerei
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Nach der ersten Januar-Woche wurden sehr große Fänge der Ringwaaden von Travemünde gemeldet.
Am selben Tag war bei uns am Hafen eine rege Tätigkeit, denn alle Ringwaaden, die fertiggestellt wurden, wurden in die Boote gebracht und klar für die Fahrt nach Travemünde gemacht.
Am 16. Juni 21 ging am Sonntagmorgen um 4:00 Uhr die Fahrt nach Travemünde los, mit dem Ringwaadenboot, unserem „L. Probst”, dem „Stern” unserer Macker und unserem Waadboot, also mit vier Booten. So hatten wir für 10 Mann Unterkunft auf unseren Fahrzeugen. Die Besatzungen der anderen Ringwaaden hatten sich am Tage vorher per Telefon Unterkunft mit voller Verköstigung auf dem Priwall besorgt.
Die Ringwaaden kamen von allen Orten der Küste, eine nach der anderen in Travemümde an, so dass sich in den ersten Tage der Woche schon an die 40 Ringwaaden in den Gewässern von Travemünde herum tummelten und auf der Jagd nach einem Heringsschwarm waren. Hier konnte man gleich sehen und mit Überlegung feststellen, dass auch bei dieser Fischerei es nur wenige Glücksritter geben wird, denn wie sich herausstellte, kamen nicht mal die Hälfte der Ringwaaden in den ersten Tagen zum Aussetzen, denn wer nicht gleich des Morgens einen Schwarm aufspürte, der hatte schon für den ganzen Tag verspielt und konnte höchstens am Nachmittag mit viel Glück auf einen Schwarm stoßen, wenn sich die Heringe durch das erste Aussetzen der Waaden und dem ewigen Hin- und Herlaufen der Ringwaadenboote mit voller Fahrt wieder etwas beruhigt und gesammelt hatten.
Gleich die ersten Tage wurden für viele Ringwaadenfischer eine große Enttäuschung. Auch unsere Kompagnie war sich darüber klar, dass es eine gute Fischerei sein könnte bei einer Zahl von 10 Ringwaaden, aber nicht und niemals bei 50 Stück, was sich in den nächsten Wochen auch zeigte. Gewiss wurden an einzelnen Tagen von der Gesamtheit der Ringwaaden 150.000-250.000 Pfund Heringe angelandet. Aber der große Teil der Ringwaaden ging an vielen Tagen leer aus. Und das Schlimmste dabei war, dass die Preise der Heringe unter 10 Pfennige das Pfund gingen für die Fischindustrie. Für die Überschüssige Ware gab es nur 2 Mark das Zentner, die nicht für die Industrie absetzbar waren und an die Fischmehlfabriken als Dünger geliefert wurden. Dass hierbei für die 100.000-Mark-Objekte der Ringwaaden kein Verdienst zu erwarten war, konnten viele Fischer nur mit der Hoffnung rechnen, dass es nochmal besser wurde, um die Schuldenlast zu verringern. Die Ringwaaden-Fischere wurde von uns, wie noch ein paar mehr bis Ende des Monats März in Travemünde betrieben. Dann liefen wir nach Hause, da bei uns in Eckernförde von den Handwaaden in der letzten Zeit gute Fänge erzielt wurden. Bis zur letzten Aprilwoche haben wir mit der Ringwaade vor und in der Förde gefischt mit Tagesfängen von 3.000 bis 8.000 Pfund. Als die Fänge sich verringerten, schieden wir am 22. April 1921 mit der Ringwaadenfischerei aus. Wir brachten die Waade zum Trocknen und fingen an, die Beschädigungen der einzelnen Netzteile auszubessern. Mit sieben Mann waren wir bei der Waade und arbeiteten und mit drei Mann beim Abtakeln der Geräte, welche zur Ringwaadenfischerei gebraucht wurden. Es war jeden Tag ein herrliches Wetter.
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Als die Waade zurechtgemacht und wieder klar für den Einsatz war, lohten wir die Waade und brachten sie am nächsten Tag zum Trocknen zur Koppel. Als sie nach ein paar Tagen durchgetrocknet war, brachten wir die Waaden zum Booden. Am nächsten Tag nahmen wir unsere Stützen von der Koppel und lagerten sie beim alten Buhr ? auf dem Pferdemarkt zum Trocknen.
Somit war für uns das erste Ringwaaden-Jahr beendet, das mit einem knappen Plus abschloss. Dann ging jeder Ploog für sich sein eigenes Boot reinzumachen und durch den neuen Kran aufs Land setzen, um den Unterwasserteil wie auch die Bünn zu reinigen. Wenn alles gut durchgetrocknet war, ging das Teeren und malen los, damit das Boot nebst Motor für den nächstfolgenden Fischereieinsatz klar war.
Am 23 Mai, es herrschte noch immer schönes, warmes Wetter, deshalb hatten wir uns abgemacht, für die Laichheringsfischerei mit den weitmaschigen Heringsnetzen den Versuch zu machen. Wir brachten alles, was dazugehörte, an Bord. Am 24. liefen wir eben nach Mittag zum Aussetzen der Netze nach Veisnitz-Flach aus, wo wir unsere Netze auf 8-8,5 Faden Wassertiefe aussetzen wollten, denn diese Wassertiefe war für den Laichhering immer die bestimmte Tiefe für ihre Laichplätze gewesen. Es war ein Versuch, denn dieser Fischerei wurde nach dem Krieg von Eckernförde nicht mehr ausgegangen. Die Netze steinten wir unterwegs ein. Wir machten 7 Schichten a 6 Stück Netze. Um eben vor 5 Uhr hatten wir unsere vorgesehenen Fangplatz erreicht und ausgelotet, die Witterung war gut, Süd-Südwest 1-2.
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Unsere Netze setzten wir eine Schicht nach der anderen nach Nord-Nordwest zu aus, so dass wir immer denselben Wasserstand behielten. Nach einer Stunde waren die Netze ausgesetzt, da gutes Wetter war gingen wir die letzte Schicht für die Nacht vor Anker. Am nächsten Morgen um 3:00 Uhr fingen wir an, unsere Netze einzuziehen. Es war eine Enttäuschung. Auf der ganzen Schicht von 6 Netzen saßen nicht mal 10 Heringe auf. So ging es auch bei der zweiten Schicht. Als wir unsere dritte Schicht einholten, saßen dort eine Menge Hering auf. Das erste Stück brachte 4 Wall (80 Stk.). Da die Heringe 20 Pfund pro Wall wogen waren es 80 Pfund. Beim nächsten Stück 100 Pfund, wie auch die letzten beiden Stücke. Hätten die ersten beiden Schichten das auch gebracht, wäre es ein sehr guter Fang gewesen. Bei der vierten Schicht brachte das erste Stück nur 20 Pfund, alle weiteren 5 Stück zusammen nur 50 Pfund. Als alle Netze an Bord, beratschlagten wir, was nur geschehen sollte mit den Netzen. Nach langem Hin und Her hatten wir entschieden, die Netze nebeneinander auszusetzten, wo wir die Hering gehabt hatten. Dann liefen wir nach Schleimünde zu und nach Kappeln rauf. Hier wurden unsere Heringe sofort abgenommen.
Nachmittags liefen wir nach Schleimünde runter, blieben dort für die Nacht. Der Wind hatte auf Südost gedreht und auf 3-4 zugenommen. Des Nachts um 1:30 Uhr liefen wir nach unseren Netzen aus, es wehte noch ein steifer Südost. Als die Sonne hochkam flaute es immer mehr ab. Um eben nach 3:00 Uhr fingen wir an, unsere Netze einzuziehen. Ohne Heringe auf allen 24 Netzen hatten wir 17 Stück an Heringen.
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Nun stellte sich wieder die Frage: Was nun? Hier auszusetzen hatte keinen Zweck. Wir sprachen von Vodrups-Flach unter Tröe und vom Breitgrund. So entschieden wir uns für den Breitgrund an der Ostseite, denn hier hatte Fiete Mumm im Krieg 1915, als mein Vater mit der Quase beim Küstenschutz war, er aber mit P. Kolls und J. Dankwardt fischte, am 30. Mai einen Heringsfang von gut 5.000 Pfund gehabt. Er wusste noch die Landmarken von damals und so setzten wir unsere Netze auf 9 Faden Wassertiefe nach den Landmarken zu aus und liefen dann nach Schleimünde.
Nachts um 1:30 Uhr liefen wir aus zur unseren Netzen. Um 2:30 Uhr waren wir bei unser südlichsten Schicht. Es war Stille und spiegelblanke See. Als wir unser Weedttau mit dem Anker aufholten und den Kokosläufer zu den Netzen einholten, war dieser schlickig voll von Heringslaich. Wir sagten zueinander: Hier müssen ja viele Heringe gewesen sein. Als wir das erste Stück einholten, wussten wir, dass keine Heringe mehr da waren bis auf 5 oder 6 Stück ausgelaichte. Aber jedes Netz war bis 1 Meter Höhe voll von frischem Heringslaich direkt verklebt. Als wenn Tausende von Heringen auf jedem Netz gesessen hatte. Hier waren wir womöglich 2 Tage zu spät gekommen. Als wir von hier nach Hause liefen mit langsamer Fahrt, versuchten wir, Netz für Netz vom Laich zu befreien. Die Hälfte konnten vom Laich gereinigt werden, aber was in den Netzen nachblieb war so zäh in den Netzen verklebt, dass es beim Spülen nicht mehr rausging.
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Zu Hause haben unsere Netze 14 Tage lang auf den Stützenreken zum Trocknen gehangen und um den einzelnen Tag haben wir viel von dem getrockneten Laich herausgepflückt. Mussten aber doch die Netze kochend heiß lohen, wodurch denn endlich nach dem Trocknen der Netze, das meiste des hartgewordenen Laichs herauskam. Als wir auf dieser Fahrt eine halbe Stunde vom Fangplatz der Heringsnetze ab waren, trafen wir ein dänisches Fischerboot aus Faaborg auf Fünen an, das mit Schleppnetz nach Goldbutt fischte. Wir sprachen mit dem Fischer über den Fang und ob er hier schon länger gefischt hatte. Er sagte: 4 Reisen hätte er 30-35 Stieg großen Butt hier gefangen. Die letzten beiden Reisen habe er aber nur 17-20 Stieg gehabt und heute beim ersten Aufholen nur einen Stieg. Er sagte, so war es immer weniger geworden. Die „Store Roedspaette” wogen 20 Pfund das Snees (dänisch für Stieg). Er erklärte, das er für die Butt eine Krone fürs Pfund bekam. In Kobenhagen kosten die Roedspaette eine halbe Krone. Der dänische Fischer sprach sehr gut deutsch. Er sagte, dass er viel mit Niemann aus Eckernförde zu tun hatte. Mit Niemann meinte er Heinrich Niemann, der Fischauktionär für dänische Einfuhrfische war. Wir zeigten ihm unsere verklebten Netze. Er meinte, da müssten ja eine ungehuere Menge an Heringen gelaicht haben. Sowas habe er bei der Heringsnetzfischerei noch nie erlebt oder gesehen.
Nachdem wir die Netze zum Trocknen aufgehangen und Anker und Tau nach Hause gebracht hatten, rüsteten wir gleich für die Goldbutt-Fischerei mit dem Schleppnetzgeschirr. Viele unserer Kameraden sahen sich unsere Netze an. Alle waren der Meinung, wenn wir gleich zum Breitgrund gelaufen, wir vielleicht einen großen Fang an Heringen bekommen hätten.