Auf Buttfang mit Großvater
15.1.1918 bis 15.4.1918
Mein Vater hatte für ein Vierteljahr Urlaub. In der Zeit kamen mehr Boote von Maasholm und von der Nordsee, um für die Zivilbevöklerung zu fischen. Ich fischte mit meinem Großvater und Andreas Oppenheim mit Buttnetzen. Wir hatten erst immer in der Nordkehle gefischt, die meisten Butt aber immer auf den innersten Netzen gehabt. Das ist ein Beweis dafür, dass die Butt immer weiter in die Förde hinein wanderten. Wir hatten eines Tages einen Fang von 65 Stieg nach den Landmarken „Lindhöft-Mühle über’m Tannköst” und „Teedisch in der Mitte vom Bratberg”. Auch hier waren die meisten Butt auf den inneren Netzen.
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Es ging den anderen Booten, die mit Buttnetzen fischten, genauso. Auch sie setzten ihre Netze immer weiter nach innen zu. Wir hatten die nächste Tour 30 Stieg und wieder nach innen zu die meisten Butt. So sagte mein Großvater „De Goarns kümmt naa de Ringelnadder rup!” Mein Großvater und Andreas Oppenheim, beide über 72 Jahre alt, konnten sich nicht einigen, wo die Netze ausgesetzt werden sollten. Mein Großvater erklärte, „Andreas, du kannst dien Goarn jo hier stellen, mien un de Jung sien kümmt naa de Ringelnadder rup un damit basta!” Danach gab Oppenheim seine Zustimmung. Die Buttnetze wurden von 500 Meter außerhalb von der Ringelnatter nach draußen gesetzt. Ich dachte bloß, wer von den Alten bloß den Krieg gewinnen würde.
Den übernächsten Tag, es war der 10. Januar. Als wir zum Einziehen der Buttnetze fuhren, war der Wind flau von Süd-Südosten. Es hatte des Nachts doch ziemlich gefroren bis 3 Grad unter Null. An diesem Tag machten wir einen ganz großen Fang, drei Netze saßen so voll Butt, dass man beim Einziehen fast keine Hand mehr ansetzen konnte! Das war ein Fang, wo beide Alten sagten: „So veel Bütt hefft wi uns ganz Leven noch ni hatt op uns Netten!” Dazu kamen etwa 100 Stück große Dorsche von je 4-6 Pfund, die auf einem Abschnitt der Netze saßen, wo keine Butt waren.
Wir hatten einen Fang an Goldbutt bei 2.000 Pfund, dazu an Dorschen über 300 Pfund. Ich wog die Butt ab mit 40 Pfund pro Kiste. Die Leute hörten von unserem Fang; viele kamen und wollten Butt, einige auch Dorsch. Die Butt, die ich so verkaufte, habe ich nicht nach Gewicht verkauft, sondern stückweise. Wollte einer 5 Pfund haben, gab ich ihm 7 der großen Butt, von denen jeder etwa 1 Pfund wog. Was spielte das bei so einem Fang für eine Rolle, wenn ich den Leuten immer ein paar mehr gab? So kamen auch viele Mariner von den Kriegsschiffen, die im Hafen lagen, und wollten Butt, meistens aber die großen Dorsche. Hier habe ich kein Geld genommen, sondern getauscht gegen Kommißbrot, Marmelade, Torpedoöl, und Arbeitszeug. Durch meinen Handel nebenbei kam der große Lärm. Der Räucherer Fritz Hinrichsen mit dem Ökelnamen „De Diek”, der regte sich auf und bölkte herum, dass wir Fische so verkauften. Das wäre strafbar, die Fische mussten laut Gesetz an die Fischhandelsgesellschaft abgeliefert werden! Er kriegte sich mit einigen Fischern, die an Land standen, in die Haare, woraufhin er sofort zu Joachim Elsner gehen wollte, der als erster der Gesellschaft galt, und ihm erklären, was hier für ein Verbrechen am Gesetz im Gange war. Es dauerte keine 5 Minuten, da kam er mit Elsner an. Er bölkte gleich los von „Fang in Beschlag nehmen”, „Das Fischen verbieten” und „die Leute sofort an die Front schicken”.
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Danach kamen aber die Leute, die mit den Fischers auf dem Brückengelände standen, in Gang und schrien: „Jochen, besinne Dich, die beiden Alten da im Boot sind über 140 Jahre alt, von wegen an die Front!”, „Denn weer dat för de Diek wull beeder naa de Front to gahn.”
Das Theater war meinem Großvater doch zu viel und zu bunt geworden, als Hinrichsen da auch noch herumgröhlte, da griff mein Großvater zur Ruderpinne und war mit seinen 72 Jahren so schnell wie eine Katze an Land mit der Ruderpinne hinter Elsner und Hinrichsen her, bis zur Fischerstraße rein. Die Leute schrien bloß immer: „Hau de Aastüg över de Knoken!” Es hatten sich dort eine Menge Menschen angesammelt. Nach einer kurzen Zeit kamen der Alte Karl Pries mit seinem Sohn aus ihrer Räucherei zur Brücke runter und fragten, was da geschehen sei. Als die beiden hörten, was die Leute sagten, was sich dort abgespielt hatte, dass die beiden dort rumspektakelt hätten, gingen sie gleich zu Elsner rauf. Karl Pries Senior und Joachim Elsner waren gleich alt und hatten früher mal zusammen gefischt. Am nächsten Tag hatte Elsner sich bei Oppenheim entschuldigt. Dann ging er auch zu meinem Großvater. Dieser wollte ihn gleich vor die Tür setzen, aber meine Großmutter hatte ihn beruhigt.
Naa de Tied hett niemols keen een Woor seggt, wenn wi an de Lüüd verköfft hefft.
Nach dem Geschehen, als der Fischer Theodor Lohmann Elsner zurief: „Jochen besinn di, de beeden dor in't Boot sünd över 140 Johr ol, vun wegen an de Front, denn weer dat för di un de Diek wull beeder passen naa die Front to gahn!”, und hinterher noch Leute sagten: „Dütt Theoter is een Stück för de Chronik!”, habe ich mir vorgenommen, ein Tagebuch zu schreiben, um mein Erleben und all das sonstige Geschehen bei der Fischerei in ein solches Buch festzuhalten. So wurde dies Erlebnis auch gleich mein erster Tagebucheintrag.
Sonntag, der 20.1.1918
Ich stieg bei meinem Vater an Bord, da der zusammen mit meinem Vater beurlaubte Matrose Kloksien aus Stettin mit einmal keine Lust mehr auf die Fischerei hatte. Er wollte nicht jede Nacht zum fischen fahren mit dem Schleppnetz. Er wollte abends an Land gehen, um sich zu amüsieren. Mein Vater machte ihn darauf aufmerksam, dass wenn er keine Lust mehr hatte, er zum Kommando zurückmusste. Das passte ihm aber auch nicht. Mein Vater sagte: „Du kannst bei den beiden Alten zum Buttnetzfischen gehen, dann kannst du dich abends amüsieren.” Er war damit einverstanden, ich nahm seinen Platz auf Vaters Boot ein. Meine erste Tour ging am 21. Januar 1918 morgens um 4:00 Uhr los.
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20. Januar 1918 bis 8. April
Ich bin bei meinem Vater an Bord gewesen. Wir haben in dieser Zeit sehr viel Goldbutt gefangen. Am 8. März kam Friedrich Zett zu uns und fragte, ob wie ihn nicht 3-4 Tage ablösen konnten, ihr Zylinder vom Motor leckte. Mein Vater und sein Macker Fiete Mumm sagten zu.
Sonntag, der 10. März
Um 5:30 Uhr liefen wir mit der Ringwaade zur Südkehle aus, da kein Fischschwarm zu finden war, liefen wir bei 10:00 Uhr zum Kieler Tief hin, um dort nach Fischen zu suchen. Eben vor 12:00 Uhr war ein großer Schwarm aufgespürt und umgesetzt, der Fang brachte gut 10.000 Pfund großer Heringe. Die Ringwaade machten wir wieder klar und setzten nach kurzer Zeit wieder einen solchen Fischschwarm um, dass als die Ringe zusammengeschnürt waren, die Waade nicht mehr vom Grund zu heben war. Irgendwas musste an Grund liegen, wohinter die Ringe festhakten. Das Ringwaadenboot krängte bis zum Äußersten über. Aber plötzlich kamen die Ringe mit etwas Schwerem drin hoch, es war das Äußerste, was die Motorwinde leisten konnte. Was war es? Ein alter verrosteter Torpedo, der zwischen den Ringen verklemmt war. Sie legten einen Stahlstropp um das Schwanzende und belegten diesen. So fingen wir an, den Fang zu übernehmen, hatten 20 Ketscher voll übernommen, als von See kommend ein Torpedoboot mit großer Fahrt direkt an uns vorbeilief. Wir mussten vom Ringwaadenboot ablegen, damit die große Hecksee die Boote nicht zusammenschlug. Wir kamen gerade frei und konnten mit dem Steven gegen die hohe Hecksee halten, als das Ringwaadenboot von der Hecksee getroffen war, brach der Stahlstropp und der Torpedo glitt ins Netz rein, wo noch mindestens 6.000-7.000 Pfund Fische drin waren. Er riss ein Loch von sieben Faden Länge hinein, und die Heringe waren wieder in Freiheit. So liefen wir mit beiden Booten nach Eckernförde zu. Wir hatten einen Fang von 15.680 Pfund großer Heringe im Boot.
Montag, der 11.3.1918
Wir hatten auf demselben Fangplatz in einem Zug 10.240 Pfund in unserem Boot, es wehte ein steifer Südost und es war viel Schiffsverkehr, liefen deshalb wieder ein.
Dienstag, der 12.3.1918
Es war gutes Wetter, die Ringwaade machte 2 Züge mit einem Gesamtfang von 27.000 Pfund, wovon über die Hälfte große Vollheringe und die der Rest kleine Heringe und Sielen vermischt waren. Wir hatten diesmal unsere Bünn mit voll gemacht und liefen nach Eckernförde. Die Ringwaadenfischer wollte es noch mal versuchen - und wir machten noch einen Fang von 6.000-7.000 Pfund, die von der „Hertha” übernommen wurden.
Donnerstag, der 14.3.1918
Ab heute liefen wir wieder auf Buttfang aus.
28.3.1918
Heute slippten wir unser Boot in der Kalkkuhle auf, um den Boden vom Boot zu reinigen. am 30. kam das Boot wieder zu Wasser. Wir machten noch ein paar Reisen nach Butt.
8.4.1918
Heute nahmen wir unser Geschirr von Bord und machten eine Woche Pause.
15.4.1918
Heute lief mein Vater nach Heiligenhafen aus. Der Urlaub war beendet. Mein Vater hatte mit Jonni Thies gesprochen, dass ich bei ihm an Bord kam, wo auch Johannes Lietz mit an Bord war.