Wieder auf Heringsfang
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Ein Sonderbericht nach dem Ausscheiden von der Goldbuttfischerei
Mittwoch, den 7.9.1921, um 17:00 Uhr liefen wir mit unseren Netzen für die Heringsfischerei aus. Wir hatten drei Schichten à sechs Stück eingesteint. Unterwegs steinten wir unsere vierte Schicht ein. Dazu legten wir die Netze an Deck, mit der Obderdelle und den Korkflaten nach Achtern. Dann machten wir an den Steinbändern, die an der Unterdelle befestigt, waren, Steine und oder Eisenringe fest, legten sie ordentlich in einer Reihe hin. Bim Aussetzen des Netzes warfen wir die Gewichte dann eines nach dem anderen über Bord.
Mit uns liefen noch vier weitere Boote mit ihren Heringsnetzen zum Fangplatz. Als wir da ankamen, lagen schon sechs weitere Laboer Boote unter Land vor Anker, die ihre Netze schon ausgesetzt hatten, auf 8-9 Faden Wassertiefe (15-16 Meter). Zwei Laboer Boote hatten gerade ihre Netze ausgesetzt und liefen auch nach Land zu. Überall auf den einzelnen Netzschichten der Laboer waren Fledermaus-Laternen an ihren Weedten angebracht. Ein Zeichen, dass sie ihre Netze im Dunkeln um Mitternacht einziehen wollten, um rechtzeitig mit ihren Fängen am Kieler Markt zu sein. Da gestern nur drei Boote ihre Netze hier ausgesetzt hatten, mussten diese ja gute Fänge erzielt haben, da es heute acht Boote aus Laboe waren. Alle Netze waren mit Bojen ausgesetzt, so dass die Netze einen Faden unter der Oberfläche standen.
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Wir setzten unsere Netze in einer Reihe, Schicht um Schicht, ungefähr 100 Meter innerhalb der Netze der Laboer aus. Die anderen vier Boote von uns suchten sich, wo Platz war, eine Stelle zum Aussetzen ihrer Netze. Einer hatte mit zwei Schichten noch innerhalb von uns aber nördlicher ausgesetzt. Als wir überprüft hatten, ob alle Netze abgesackt waren, liefen wir unter Nieby vor Anker. Nördlich von Nordhagen (hiermit ist die Steilküste unterhalb von Schönhagen benannt) war die ganze Flotte der Maasholmer Fischerboote zu sehen.
Als wir am Donnerstag, den 8.9., des Morgens um 4:00 Uhr zu unseren Netzen abliefen, war kein Laboer Boot mehr sichtbar. Auf unseren Netzen saßen 1½ bis 2½ Wall Heringe je Stück, so dass auf allen Schichten bei 12 Wall herum waren. Wir schätzten einen Wall auf 15-16 Pfund, auf 22 mm und 22½ mm Netzgarn saßen die meisten Heringe, gegen die Netze von 23 mm und 24 mm Netze, doch waren diese Heringe größer und so glich sich das Gewicht von jedem Stück aus. Es waren alles fette Laichheringe. Unser Gesamtfang war 726 Pfund, die Fänge unserer Mackers waren von 650-750 Pfund. Darauf brachten noch sieben Boote mehr ihre Heringsnetze an Bord.
Auf diesem Fanggebiet unterhalb Damp-Nieby wurde von den Booten aus Laboe und Eckernförde über 14 Tage gefischt mit unterschiedlichen Fängen an den einzelnen Tagen. Fänge von 300-800 Pfund aufs Boot. Dann hatten eines Tages die Boote, die am südlichsten standen, vor Boknis Eck,
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die besten Fänge. Die Heringe hatten sich in Bewegung gesetzt nach unserer Förde zu. Die Handwaaden, wovon zwölf Stück in Betrieb waren, machten Fänge bis zu 1.500 Pfund an Heringen, Sielen und Sprotten.
Die Flotte der Maasholmer Boote setzten ihre Heringsnetze also immer weit nach Süden aus, demnach wanderten auch die Heringe längst der Küste nach Süden. Von Anfang Oktober wurden innerhalb Boknis bis nach Strandbek zu einige Fänge bis zu 1.500 Pfund gemacht. Als eines Tages der Südoststurm einsetzte, war die ganze Heringsnetzfischerei aus und vorbei.
In diesen vier Wochen der Stellnetzfischerei waren von den einzelnen Kollegen mehrere Netze zerrissen, wie auch gänzlich verloren gegangen. Durch Unachtsamkeit, durch Schiffsschrauben, oder auch durch Diebstahl. Ich wurde zweimal davon betroffen. Eines Morgens beim Einziehen der Netze war ein Stück von meinen Netzen inmitten der Schicht die Oberdelle durchschnitten und das Netzgarn zerrissen, bis auf die noch haltende Unterdelle. Wodurch und wie konnten wir uns nicht vorstellen, denn die Oberdelle war mit einem Messer glatt durchgeschnitten, wäre das Stück von einer Schraube zerrissen worden, hätte es mehr zerfetzt sein müssen und es hätte von Oberdelle und Netz etwas gefehlt. Für dieses Stück brachte ich nachmittags ein neues Stück Netz 24 mm von Boden mit zum Boot, eingestellt war es, nur die Flaten mussten an der Oberdelle befestigt werden. An der Unterdelle brachte Fiete Mumm die Steinbänder an.
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Meine Flaten waren alle von der Korkfabrik angefertigt, ich hatte mir ein paar hundert davon schicken lassen. Beim Anbringen der Flaten an die Oberdelle wurden am Anfang und Ende des Stückes Netz ein Flaten mit meinen Anfangsbuchstaben von Vor und Hinternamen eingekerbt. Ich kerbte aber bei jedem Netzstück von mir mitten im Netz immer noch drei weitere Flaten mit einem Kreuz ein, wobei das kleine Kreutz an der Unterseite von dem Flaten war, so dass wenn man es nicht wusste, es nicht zu sehen war. Als wir das Stück fertig hatten, wurde es als letztes Stück eingesteint und war so beim Aussetzen das erste Stück, welches über Bord kam. Es blieb noch eine ganze Weile oben an der Oberfläche, als alle Netze ausgesetzt waren, liefen wir mit langsamer Fahrt nach Norden unsere Netzschichten ab, ob irgendein Stück noch an der Oberfläche geblieben sei. Vor allem wegen des neuen Stückes. Als wir hinkamen, war die Hälfte vom Stück noch oben. So warfen wir vier Stück sogenannte Reiter über die Oberdelle, die dann dadurch auch absackte. Ein Reiter war ein ein Meter langes Bändsel, an dem an jedem Ende ein Gewicht befestigt war, bei uns waren es Stahlringe. Als alles klar war, liefen wir nach Land zu wie alle Boote. Zwei Boote aus Eckernförde hatten nach Norden und auch Innerhalb von und ausgesetzt.
Als wir morgens abliefen zum Einziehen der Netze, kam der Wind steif aus Süd-Südwest mit Nieselregen. So liefen wir unsere südlichste Schicht an und holten die Netze gegen Wind und den harten nach Norden setzenden Strom ein mit einem Wall Heringe je Netz, dann holten wir unsere nächsten beiden Schichten auch so ein. Als wir unser letzte Schicht einholen
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wollten, fehlte unser nördlichstes Weedt, so liefen wir zum südlichen Weedt, welcher an Ort und Stelle stand. Aber wir wunderten uns, dass wir keine einzige von unseren Netzbojen sehen konnten, also stimmte doch etwas nicht. Wir holen das Weedt ein, holten den Anker auf, welcher leicht hochkam, was verdächtig war. Denn alle Anker von unsren Schichten, die südlich standen, waren sehr fest im Grund wegen des harten Stroms, der gegen die Netze drückte. Als wir den Anker an Bord hatten, holten wir den Läufer, der vom Anker zu den Netzen führt, lose ein. Der Läufer war unbeschädigt bis zum Ende, wo der Takling saß, also war der Läufer von den Netzen von Menschenhand abgesteckt und die sechs Netze waren gestohlen worden, zusammen mit unserem nördlichsten Anker. Weedten und Taue dazu - so etwas war noch nicht dagewesen!
Wir diskutierten was geschehen sollte, so liefen wir erst mal langsam nach Norden zu, suchten die ganze Wasserfläche ab, ob irgendwo etwas von unseren Bojen von den Netzen zu sehen sei. Mitten unter Nordhagen kehrten wir um, denn so weit hatten die Netze nicht getrieben sein können. Wir liefen etwas näher an die Küste heran. Als wir gegen Schubystrand waren, sah ich durchs Glas voraus etwas, was aus einzelnen Teilen bestand. Ich sagte gleich, das sind unsere Netze. Als wir näherkamen, wurde es Gewissheit. Die Netze waren auf 5 Faden Wassertiefe. Wir warfen zu Luv von den Netzen einen Anker aus und fierten uns auf die Netze zu, damit wir sie, ohne weiteren Schaden anzurichten bergen konnten. Es ging alles gut, wir holten 4¾ Stück Netze ohne Schaden ein, bis auf das Stück was mit einem Messer von oben bis unten zusammengenommen durchgeschnitten war.
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Es fehlte ein Viertel Stück von meines Vaters Stück und mein neues Stück, was ich erst vom Boden mitgebracht und unterwegs erst fertig gemacht hatte. Als wir Ankerauf gingen und ene Viertelstunde gelaufen hatten, sahen wir voraus ein Weedt stehen, es war unser Weedt, welches mit Anker und Taue auf einem Haufen über Bord geworfen worden war. Merkwürdig war auch, dass auf den 4¾ Stücken kein einziger Hering war, wir vermuteten, dass die Spitzbuben unsere Schicht eingezogen, die Heringe abgesteckt und nach Norden zu abgelaufen waren. Zuerst hatten sie Weedt mit Ankern und Tauen über Bord geworfen und nachdem sie ein ganzes Stück weitergelaufen waren, auch die Netze mit den Bojen über Bord geworfen. Wir fragten uns, wer es denn gewesen sein konnte. Aus welchen Gründen hatten sie das Netz durchgeschnitten und den Rest vom Stück und mein neues Stück mitgenommen? Sie mussten von irgendjemanden überrascht worden sein, oder irgend ein Boot hatte sich dem Übeltäter genähert, als er beim Aufholen unserer Netze war. Deshalb war das Netz durchgeschnitten worden. Nachher, als die Luft rein gewesen war, hatten sie den Rest von der Schicht mit Ankern und Tauen eingezogen.
Wir dachten an zwei bestimmte Boote aus Eckernförde. Der erste hatte nördlich von unseren Schichten ausgesetzt und der zweite innerhalb. Das zweite Boot hatten wir nicht mehr gesehen, als wir unsere anderen Netzen eingezogen hatten. Also hatte dieses zweite Boot seine Netze schon sehr früh, als es noch dunkel war, eingeholt. Das erste Boot war noch dabei gewesen, seine Netze einzuziehen als wir abliefen, um unsere Netze zu suchen. Da der zweite nicht in Eckernförde gewesen war und uns beim anlaufen nicht entgegengekommen war, musste er
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zur Schlei gelaufen sein, um seinen Fang in Kappeln zu verkaufen. Wir waren jetzt im Bilde, wer der Spitzbube gewesen war, ein dafür bekannter Berufskollege. Als wir unseren Fang gelöscht und unsere Netze zum Trocknen aufgehängt hatten, hatte es sich schnell herumgesprochen und jeder Kollege, der mit uns gesprochen hatte, nannte gleich den Namen, den wir in Verdacht hatten. Er war nicht hier nach Eckernförde gelaufen. Von der Fischer-Genossenschaft hatte einer vom Vorstand in Kappeln telefonisch angerufen, ob dort ein Boot aus Eckernförde liege. Die Frage wurde mit ja beantwortet. So bestand kein Zweifel, dass unsere Vermutung richtig war.