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Im Eis

Die Handwaadenfischerei brachte bis Mitte November durchweg auf beiden Seiten der Förde Tagesfänge von 500-3000 Pfund in ein bis zwei Zügen an Land. Auch die Heringsnetzfischerei, die außerhalb der Waadenzüge bis Mitte der Förde von beiden Seiten aus fischten, machte Tagesfänge von 400-500 Pfund, bis Mitte November 5 Tage lang der Nordost stürmte und nach 2 Tage auf Südost drehte und weiterstürmte, die ganze Fischerei lahmlegte und starken Frost mit sich brachte. Nach dem Sturm, als die Waaden, die man alle zum Trocknen zu den Trockenplätzen gebracht hatten, wieder in die Boote kamen, liefen alle Waadengespanne am Montagnachmittag den 21.11. zum Fang aus. Ebenso waren morgens gleich einige Ringwaaden zum Suchen von einem Fischschwarm ausgelaufen und hatten in der Förde bis in die Nord- wie Südkehle gesucht, aber nur wenige Fische am Lot gespürt, die sich für einen Fang nicht lohnten. Ebenso hatten die Handwaaden

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auf den Nordzügen wie auf den Südzügen keine Mal über einen Zentner an Blankfischen gehabt. Auch die Heringsfischer machten keine Fänge mehr. Der Oststurm hatte die ganze Blankfischerei gestört.

Das Wetter blieb winterlich kalt, auch gab es an einigen Tagen schon Schnee, nach ein paar Tagen mit Westwind stellte sich wieder ein steifer kalter Ostwind ein, es fing an den Seeküsten an, denn sich überall Eis bildete, ebenso bei uns im Hafen, als die Witterung sich besserte und alle wieder zum Fang ausliefen, gab es keine bessere Fangergebnisse wie nach dem ersten Oststurm.

Wir hatten unsere Handwaade wieder zur Koppel gebracht, unsere Waadboote hinter der Holzbrücke im Binnehafen vertäut. Wir machten unsere Quase klar für die Winterbuttfischerei. Da die ganze Zeit der Wind von Süd bis Südost hin- und herschralte bei blanker Luft und -5 °C und -6 °C, nahm das Eis vor dem Hafen immer mehr zu und fror langsam zu einer festen Eiddecke zusammen. Es lag vom Rehtwisch bis zum Bahnübergang hinter dem Seegarten. Als das Wetter etwas besser wurde, brach der TVA-Dampfer „Strande” eine Fahrrinne bis zum Hafen rein. Hier arbeiteten wir uns am nächsten Morgen Dienstag, den 6.12., mit mehreren Booten, die auf Buttgang wollten, langsam durch und liefen bis eben innerhalb vom Rücken (De Ruck, ein steiniger Grund vor unserer Förde) und setzten so aus, dass wir die Waabser Kirche vom Boknisser Holz frei hatten, nach Nordosten zu und wieder auf Gegenkurs. Die Fänge im Drift waren von 6-8 Stieg der großen Wintergoldbutt, dazu auch einige Dorsche und Platen.

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Es wurden nur drei bzw. vier Drifts von den Booten gemacht, denn jeder musste sehen, dass er bei Tag durch die Eisrinne zum Hafen kam. Als alle ausgelaufenen Boote zur Eiskante kamen, lag dort ein Torpedofangboot der TVA. Es war die „Berta”. Die Besatzung rief uns Booten rüber, dass sie den Auftrag habe, morgen die Fischerboote, die zum Fang wollen würden, raus- und wieder reinzubringen. Um 7:30 Uhr in der Früh und Nachmittags um 16:00 Uhr. Jedenfalls, wenn gutes Wetter sei und vor allem de Eisverhältnisse sich nicht verschlechtern würden. Die genannten Uhrzeiten müssten dringend beachtet werden.

Alle waren einverstanden und begrüßten es. Am nächsten Morgen war klare Luft und ein flauer Süd-Südwest mit Frost von -5 °C. Eben nach 7:00 Uhr liefen schon die Motoren von den Booten, die zum Fang wollten, um Viertel vor 8 Uhr waren alle Boote schon im freien Wasser außerhalb der Eisgrenze. Um halb 10 Uhr setzten wir auf demselben Kurs wie gestern aus. Der erste Drift brachte 8 Stieg Butt, 15 Pfund Platen und 8 Dorsch zu 4-5 Pfund das Stück. Das Wetter war sehr gut. Wir setzten als einziges Boot nochmals über denselben Bug aus. Dieser Drift brachte uns 14 Stieg Butt, Platen wir vorher und 10 Dorsche von 3-5 Pfund das Stück. Wir liefen noch 10 Minuten Nordost hin, setzten dann auf Gegenkurs zurück der Drift brachte 16 Stieg Butt, Platen etwas mehr und 6 Dorsche. Da wir es nicht riskieren konnten, nochmals zurückzusetzen, machten wir noch einen Drift nach innen zu. Alle anderen Boote lagen halb bis dreiviertel Drift vor uns auf demselben Kurs, um 13:30 Uhr sahen wir einige Boote schon aufholen, eins nach dem anderen. Wir holten um 14:00 Uhr auf und waren somit die letzten. Der Drift brachte 12 Stieg, 14 Pfund Platen und 5 Dorsche. Wir liefen mit voller Kraft des Motors. So kamen wir doch noch vor 16:00 Uhr dorthin, wo alle Boote vor der Eisgrenze

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lagen, ungefähr zur selben Zeit wie das Fangboot, welches von der TVA ausgelaufen kam.

Wir hatten einen Fang von 50 Stieg Butt, die gut 800 Pfund wogen. 65 Pfund Platen und 124 Pfund Dorsch. Alle anderen Boote lieferten 400-500 Pfund Butt ab. Wir hatten mit dem Drift weiter draußen bessere Ergebnisse erzielt als die anderen Boote.

Am nächsten Tag liefen alle Boote gleich mit uns einen Drift weiter raus, um 10:00 Uhr setzten alle Boote aus. Bei einer Stunde holten die Boote auf und setzten gleich wieder auf Gegenkurs aus. Wir fischten anderthalb Stunden und hatten den Drift 25½ Stieg Butt, 23 Pfund Platen und 12 Dorsche. Wir setzten auf Gegenkurs aus und fischen wieder anderthalb stunden. Der Drift brachte 28 Stieg Butt, 30 Pfund Platen und 8 Dorsche. Wir liefen gute fünf Minuten nach Nord-Nordost zurück und setzten dann auf Gegenkurs aus. Von den anderen Booten holten die ersten eben nach 14:00 Uhr und die andern um 14:30 Uhr auf. Das Wetter war gut. Klare Luft, flauer Süd und -3 °C Kälte. Es war Vollmond. Wir fischten anderthalb Stunden und holten eben nach 15:00 Uhr auf mit 24 Stieg Butt, 26 Pfund Platen und 8 Dorschen. Wir sagten zueinander, dass eine sehr große Menge an Winterbutt zu unserer Förde unterwegs sei, nach dem zu urteilen, was hier draußen an Butt liege.

Beim Einlaufen frischte der Wind etwas auf und drehte nach Südosten zu. Als wir an die Eiskante kamen, war von einer Rinne durchs Eis nichts zu sehen, trotz des hellen Mondscheins. Der Südost nahm noch mehr zu, so dass es vor der Eiskante schon spökelig wurde. Die ersten Boote

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sind wohl noch reingekommen, aber vier Boote konnten wir noch ausmachen, die auf dem halben Weg zum Hafen in der Rinne lagen. Ob sie im Eis feststeckten, oder einer etwas mit dem Motor oder der Schraube hatte, konnten wir ja nicht wissen. Auf dem Bünndeck hatten wir auf jeder Seite 2 Gewicht von einem Zentner stehen, die holten wir an Deck und brachten sie nach achtern hinter den heinagen ? . Unsere 60 Meter lange Ankerkette ließen wir in lange Buchten an jeder Seite vom Vordersteven herunter. Es hatte sich vor der festen Eiskante seit heute morgen eine Schrapeleisfläche gebildet, in einer Breite von 50-60 Metern. Doch wir liefen hier langsam aber leicht durch in Richtung des Borbyer Kirchturms, mit welchem wir uns die letzten Tage eine Landpeilung genommen hatten, wo die Einfahrt zur Rinne war. Wir kamen auch richtig herein, aber die ganze Eisfläche hatte sich etwas zusammengeschoben. Mein Vater gab dem Motor mehr Brennstoff. Mumm und ich standen vorne, um meinem Vater am Ruder die Spur anzuweisen von der zusammengeschobenen Rinne. So kamen wir gut voran, bis wir anderthalb Bootslängen vor den vorausliegenden Booten abstoppten. Das erste Boot, das vor uns lag, waren unsere Mackers, dann kam Johann Lietz und vor ihm lag August Kreutz. Seine Schraube war vom Eis abgeschlagen worden. Er konnte nicht weiterkommen, weil die Spur von der Rinne mittlerweile wieder zusammengeschoben war.

Julius Lietz kam übers Eis mit einem Bootshaken in der Hand angelaufen. Er erzählte, was los sei. Sie würden nicht vorbeikönnen. Er meinte, wenn wir mit 4 Mann bei uns an Bord mit 2 Mann auf jeder Seite in den Wanten das Boot in Schwingung brächten, mochte es gelingen, vorbeizukommen. Denn zwei Bootslängen

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weiter sei die Fahrrinne offen und nicht mehr zusammengeschoben. Wir fragten, weshalb sie es denn nicht schon selber versucht hätten. Er sagte, weil sie keinen Anlauf hätten. Wir sagten, denn man zu, sonst müssen wir alle vier Boote hier noch sitzenbleiben. Wir schlugen vor: Erst einmal müssten die Boote sich mit starken Festmacherleinen verbinden, dass wir, wenn wir durchkommen, nicht jedes Boot einzeln herausholen müssten. H. Kreutz, H. Lietz, Julius Lietz und Jürgen Dankwardt kamen bei uns an Bord. Erst setzten wir noch ein paar Bootslängen zurück. Dann brachten wir unser Boot in Schwingung und den Motor auf halbe Fahrt. Mein Vater hatte die Ruderpinne, ich den Brennstoffregler und die Kühlung in der Hand. Als wir den Vorwärtsgang eingelegt hatten, gab ich mehr Brennstoff und so kamen wir heftig hin- und her schwankend an allen drei Booten vorbei bis dorthin, wo die Rinne offen war. Dort stoppten wir ab und fuhren langsam rückwärts, bis wir eine Bootslänge vor Kreutz lagen. Lietz und Hein Kreutz stiegen über Bord aufs Eis, auf der Nordseite, wo das Eis fest war. Überall hatte das Eis von unserem Laufen Risse bekommen. H. Kreutz bekam den Tampen von unser Lotleine mit, um ihre Festmacher- oder Schleppleine daran zu befestigen, die wir dann zu uns herüberholten und belegten. Dankwardt blieb bei uns an Bord. Als alles klar war, schleppten wir langsam an. Nach kurzem Anfahren bemerkten wir, dass es voraus ging. Als wir in der Rinne waren, ging es flott voran, denn Lietz und unsere Mackers hatten ihre Motoren mit eingekuppelt. Um 19:30 Uhr konnten wir endlich im Hafen festmachen.

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Es war sehr schwierig, unseren Buttfang aus der Bünn zu bekommen, denn die ganze Bünn war voller Schrappeleis, was wir alles aus der Bünntute ? ausketschern mussten. Die ganze Tute ? war trocken von Eis. Als wir das meiste geschafft hatten und das Wasser nachdrang, ging es besser. Wir hatten in den drei Drifts einen sehr guten Fang gemacht. Wir löschten 1.255 Pfund Goldbutt, 80 Pfund Platen und 112 Pfund Dorsch. Kreutz, Lietz und unsere Mackers hatten 800-900 Pfund Butt. Die Boote, die früher ausgeschieden waren, hatten 600-700 Pfund.

Mit der Fischerei war es erst mal wieder aus, denn der Südost wehte mit 5-6 und es fror Pickelsteine. Wie wir am Hafen hörten, waren zwei Ringwaadenboote zum Suchen gewesen. Sie hatten auf der Süd außerhalb der Ringwaadengrenze mehrere Schwärme am Fischlot gehabt, nach ihren Schätzungen 5.000-6.000 Pfund. Die Boote, als sie eingelaufen waren, hatten gleich damit begonnen, alles für die Einbringung der Ringwaaden vorzubereiten.

Am Freitagmorgen, den 9.12., hatte der Südost wieder nachgelassen und auf Süd-Südost gedreht. Da kamen die Möllers zu uns und fragten, ob wir meinten, die Ringwaade zum Einsatz zu bringen - denn Jark und Madsen würden bereits zurüsten. Sie hatten ja beim Suchen mehrere gut Dutts am Lot gehabt. Sie hatten mit Christian Neumann gesprochen, er hatte über zehn sich lohnende Schwärme gehabt und Heine Madsen hatte dasselbe gesagt. Wir sagten: „Wenn das so ist, dann müssen wir ja mitmachen. Aber es soll mit dem Eis nobloß nichtch mehr werden, denn wir hatten gestern Abend ja schon allerlei Theater mit den Booten, die in der Rinne fest saßen.” Die Möllers erklärten,

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dass sie ihr Boot schon klargemacht hätten. Als unsere Mackers kamen, stimmten sie alle 3 gleich zu. Wir rüsteten sofort zu; wir wollten die Ringwaade heute noch an Bord bringen. Nachmittags hatte der Wind auf Südwest gedreht und der Frost ließ nach. Es wurde milder, das Thermometer stieg über den Gefrierpunkt. Eben vor dem Dunkelwerden waren wir mit allem fertig. Es hatten fünf Waaden seeklar gemacht, bei der Leitung von der TVA hatten wir angefragt, ob die „Strande” die Fahrrinne nicht aufbrechen könne, die Antwort war, dass die „Strande” nicht unter Dampf stand, doch ein Fangboot wurde um 7:30 Uhr bereit sein, die auslaufende Boot durchs Eis zu lotsen.

Am Sonnabendmorgen, d. 10.12., wehte ein steifer Südwest. Die Temperatur lag bei +2 °C, alle Boote, die auf Fang wollten, waren schon um 7:00 Uhr seeklar gewesen. Eben vor 8:00 Uhr war das Fangboot durch die Rinne, die frisch aufgebrochen bei uns im Hafen, sie sagten, das ganze lose Eis, das sich vor der festen Eiskante angesammelt hatte, sei über Nacht durch den Südwest abgetrieben. Bei 8:30 Uhr waren alle fünf Ringwaaden eine nach der anderen unterm Hegenwohld aus. Die einzelnen Fänge waren von 4000-6000 Pfund. Alle Boote waren sich einig, einzulaufen und liefen zur TVA und dort im Hafen ein.

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Heine Madsen und Karl Jark setzten sich per Telefon mit dem Leiter der TVA in Verbindung, ob die Boote, die mit ihren Fängen hier im Hafen eingelaufen, ihre Fänge löschen und erstmal für eine Nacht im Hafen bleiben könnten. Nach allerlei Einwänden und Bedenken hatte Jühl aber doch seine Erlaubnis dazu gegeben.

Als Hopp und Rehse die Kisten gebracht hatten, konnte das Löschen der Fänge vor sich gehen. Da mit einer Gesamtanlandung von 25.000 Pfund gerechnet wurde, musste die Firma mit über 600 Kisten rechnen. Das Fischwark bestand aus Heringen und Sielen und wurde als Mischware in die Kisten eingewogen mit 40 bzw. 80 Pfund pro Kiste. Um 17:00 Uhr konnte die Firma die letzten vollen Kisten abholen. Von jeder Ringwaade wurde beim Verlassen der TVA bei der Wache eine Liste mit den Namen der Besatzungsmitglieder abgegeben. Untereinander war abgemacht, am nächsten Morgen um 7:30 Uhr vor dem Einlasstor bei den Waaden zu sein. Der TVA-Leiter Jühl hatte sich die außergewöhnliche Begebenheit auf seinem Betrieb selbst angesehen. Für den nächsten Tag, Sonntag, gab er nochmals die Genehmigung im Hafen einzulaufen und die Fänge zu löschen, da sein Betrieb ja nicht gestört wurde, aber für Montag und weitere Tage, wenn die Verhältnisse so blieben, wollte er die „Strande” unter Dampf stellen lassen, um alle Boote zum Eckernförder Hafen zu geleiten und sie morgens auch wieder herauszubringen. Alle waren mit dem Angebot von Jühl einverstanden und begrüßten es.

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Das Wetter blieb über den Sonntag noch günstig. Südwest 3-4 bei 3 °C. So nahm wenigstens das Eis, welches unseren Hafen blockierte, nicht zu. Um 8:00 Uhr liefen alle Waaden eine nach der anderen wieder aus.

An der Grenze wurden die Suchjollen eingesetzt und nach kurzem Suchen setzten die Ringwaaden aus; etwas weiter nach innen als gestern. Die Fänge waren bei allen Waaden etwas besser als gestern. Die Fänge beliefen sich auf 6000-7000 Pfund von derselben Sorte wie am Tag zuvor. Alle einigten sich, zusammen einzulaufen. Mit dem Löschen klappte es heute besser. Die Firma Hopp und Rehse hatte eine Anzahl von Kisten und noch zwei Gewichte mehr auf die Brücke der TVA abgestellt. Um 15:00 Uhr konnten wir gemeinsam das Tor verlassen. Montagmorgen, den 12.12., liefen alle um 8:00 Uhr zum Fang aus. Es hatte die ganze Nacht ein steifer Süd geweht 5-6. Gegen Morgen war der Wind etwas abgeflaut. Die Luft sah nach Regen oder sogar Schnee aus. Es war ein ungemütliches Wetter. Außerhalb der Grenze Innenkante vom Hegenwohld setzten alle Waaden aus. Der Südwest hatte wieder mehr zugenommen. Er kam mit Schneeregen, welcher in reinen Schnee überging. Ich glaube, alle waren froh, als sie die Waade mitsamt Fang an Bord hatten, denn nach dem Schneebrummer wehte der West-Südwest schon mit einer Stärke von 7-8. Jedes Boot sah zu, dass es längst der Küste eben außerhalb der Schaarkante reinkam, denn jeder hat damit gerechnet, dass der Sturm auf Nordwest sprang, die Eisfläche

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abtrieb und uns alle in Schwierigkeiten brachte. Unser Boot lag an letzter Stelle beim Einlaufen. Wir waren noch 1000 Meter ab, als die ersten Boote bei der TVA waren. Wir beobachteten, dass die Boote dort nicht in den Hafen liefen, sondern unter Land nach unserem Hafen zu liefen. Als wir näherkamen sahen wir, dass das ganze Eisfeld an der Schaarkante abgerissen war und die Kluft bis zum Hafen offen war und sich immer mehr verbreiterte und die Eisfläche sich am Ohrt ? aufs Land heraufschob. Als wir gegen den Exer liefen, sprang der Sturm mit einem neuen Schneebrummer plötzlich auf Nordwesten. Wir sagten uns, es sei höchste Zeit gewesen, dass wir alle eingelaufen seien, weil das Wasser durch den Südwest stark abgelaufen sei. Die Strömung vom Noor her hatte den ganzen Hafen von Eis reingefegt, bis auf das Eis, welches auf flachem Grund lag. Wir waren gerade mit dem Löschen fertig, da kam eine neue Schneeböe, es wurde plötzlich wieder kalt, der Wind flaute merkwürdig nach der Schneeböe ab. Franz Zett und mein Vater sagten zugleich „Glieks kümmt he mit een Hurra vun Nordost.” Es dauerte keine 20 Minuten, da kam der Nordost mit Windstärke 7 an. Die Eisschollen schipperten wieder zum Hafen rein. Alle Boote, die mit dem Löschen fertig waren, legten sich hinter der Holzbrücke in den Binnenhafen. Wir waren das letzte Boot. Als wir dort festgemacht hatten, war außerhalb der Holzbrücke wieder alles voll von Eisschollen, große und kleine. Das Wasser fing an zu steigen, die Luft sah im Nordosten schwarz wie die Nacht aus. Als wir nach Hause gingen, jagte der Nordost den Schnee längst Brücke und Straßen,

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dass man kaum noch die Hand vor Augen sehen konnte. Um 18:00 Uhr waren die Schneewehen stellenweise über einen Meter hoch, der Nordost hatte immer mehr zugenommen auf 8-9. Das Wasser war jetzt schon bis einen knappen halben Meter unter das Bullwark gestiegen und stieg noch weiter. Das Thermometer war bei -4 °C. Das ganze Eisfeld und was sonst noch alles längst der Küste gelegen hatte, lag am nächsten Morgen von den Mövenbergen bis eben innerhalb vom Ohrt. Die Temperatur war bis -8 °C gesunken.

Es hatte wohl gerade so sein sollen, dass der Südwest uns Platz gemacht hatte, damit wir alle zum Hafen kämen, ehe der Nordost uns überrascht hatte. Jeder war der Meinung, dass wir von Glück sprechen könnten.

Der Nordost stürmte noch drei Tage, dann drehte er nach Südost, wo er noch über acht Tage mit sehr starkem Frost mit Windstärke 6-7 stürmte. Das Eis nahm von Tag zu Tag immer mehr zu, bald war vom Hafen aus kein offenes Wasser mehr zu sehen. Es gab auch noch viel Schnee.

Um zu verhindern, dass die nassen Ringwaaden zu einem Haufen zusammenfroren, mussten sie gereht ? Werden. Da die Kälte nicht nachließ und das Eis vom Brotbarg bis Kronsort lag, war fürs erste keine Hoffnung, dass durch einen Sturm aus Westen die Eisfläche zerstört würde. Vor Weihnachten wurde eine Ringwaade nach der anderen zur Trockenkoppel gebracht, mit viel Mühe war es gelungen, die Hauptstützen zum Aufhängen in die Erde zu bekommen. Wir versuchten aber, an günstigen Tagen immer eine Reihe Stützen mehr einzugraben. Wir bekamen vier Reihen in die Erde, dann war es vorbei. So ging das ereignisreiche Jahr 1921 zu Ende.

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