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Die Fischer streiken!

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Der einmalige Streik der Fischerei

1950 wurde ich vom 1. Eckernförder Fischereiverein zum 2. Vorsitzenden gewählt und daraufhin auch in den Vorstand des Fischereiverbands aufgenommen. Zu dieser Zeit war Richard Kähler aus Laboe der 1. Vorsitzende. Bis 1959 habe ich meine Pflichten in beiden Organisationen wahrgenommen und als Sprecher für die Fischerei mit ihren Sorgen und Nöten auf den Versammlungen und Tagungen des Vereins und des Verbands vertreten, egal ob diese in Eckernförde, Kiel, Rendsburg, Plön, Büsum, Travemünde oder Hamburg-Altona stattfanden.

Mein Hauptbestreben war der Kampf gegen die Raub- und Vernichtungsfischerei von Jungfischen, die als minderwertige Ware den Fischmehlfabriken zugeführt wurden. Die kümmerlichen Preise sämtlicher Fischarten nach der Auflösung der Zwangsablieferungen und Aufhebung der Festpreise für alle Fischanlandungen durch die Einführung einer freien Marktwirtschaft brachten zwar zunächst große Vorteile für die Fischindustrie, führten aber die Fischerei wieder in den alten Zustand zurück. Die Fischer mussten sich mit dem zufrieden geben, was ihnen auf den Fischauktionen geboten wurde, was sie wieder in die Unrentabilität führte.

Wie sich gleich in den ersten Tagen nach der Aufhebung der Festpreise herausstellte, wurden größere Fänge unverkäuflich und wanderten somit in die Fischmehlfabriken. Für die verkäufliche Ware wurde oft nicht einmal der halbe Festpreis erzielt, was sich auch in den folgenden Tagen nicht änderte. Es traten immer mehr Probleme auf, und die einzelnen Fischereivereine brachten ihre Sorgen und Nöte bei den Sitzungen des Verbands vor. Es wurden Beschlüsse gefasst, um diese Probleme den höheren Gremien der Fischerei vorzulegen. Obwohl die Festpreise abgeschafft wurden, wurde dafür plädiert, für bestimmte Fischarten Mindestpreise einzuführen, um die Existenz der gesamten Fischerei zu sichern.

Bei uns in Eckernförde bot sich der Geschäftsführer der SPD, Lechner, an, eine Delegation des Fischereivereins mit Ministerpräsident Diekmann in Kiel zu treffen, um persönlich über die Lage der Fischerei zu sprechen. Dieses Treffen wurde dann auch innerhalb weniger Tage durchgeführt. Der Ministerpräsident hörte sich unsere vorgebrachten Sorgen an und ließ sich über einige besondere Vorkommnisse klar und eindeutig informieren. Er sagte jedoch gleichzeitig, dass er sein Möglichstes tun wollte, um zu helfen, aber es nicht einfach sei, die gesetzlichen Bestimmungen der Regierung in Bonn in dieser Angelegenheit zu ändern. Außerdem erwähnte er, dass viele Fischer in der Zeit nach dem Krieg gegenüber der notleidenden Bevölkerung schuldig geworden seien, indem sie viele Fische zu hohen Preisen illegal verkauft hätten, ohne Rücksicht auf die Notlage der Menschen zu nehmen. Ich habe dem Ministerpräsidenten erklärt, dass dies an vielen Orten von vielen Berufskollegen geschehen sei, aber man nicht die gesamte Fischerei über einen Kamm scheren könne.

Lechner sprach in unserem Beisein mit dem Ministerpräsidenten über die gesamte Misere der Fischerei. Auf der Rückreise erklärte er uns, dass es auf jeden Fall zu einer Aussprache in Bonn kommen würde, zumindest von Seiten der Partei aus. Tatsächlich fand diese Aussprache in Bonn statt, jedoch wurde unser Antrag auf Mindestpreise für die einzelnen Fischarten unbeachtet gelassen. Nach einiger Zeit erging auch noch die Verfügung, dass sämtliche Zollvergünstigungen für Betriebsstoffe wie Rohöl für die Fischerei und die kleine Küstenschifffahrt aufgehoben wurden, was für die Fischerei und die Schifffahrt einen harten Schlag bedeutete. Vom Vorstand des Eckernförder Fischervereins, wo wir vormittags einen festen Entschluss gefasst hatten, riefen wir für den Abend eine Versammlung des Vereins ein, um den Mitgliedern unseren Beschluss vorzulegen und bei einer Abstimmung eine Mehrheit für unser Vorhaben zu erhalten.

Wir hatten uns vom Vorstand aus mit Maasholm über unseren Beschluss in Verbindung gesetzt und gebeten, dass sie sich mit Kappeln, Arnis, Langballigau und Flensburg in Verbindung setzen, damit sich jeder äußern konnte über diese Angelegenheit. Uns möglicherweise bis zum nächsten Nachmittag mitzuteilen, welche Meinung sie über unseren Beschluss für einen Streik, als einzige Möglichkeit gegen die Bonner Verfügung mit Druck zu protestieren, hatten.

So hatten wir uns auch mit dem 1. Vorsitzenden Richard Kähler aus Laboe vom Fischerei-Verband telefonisch in Verbindung gesetzt. Er war gleich bereit, alle Vereine der Kieler Förde, Heiligenhafen und der Lübecker Bucht über unsere Aufforderung, die er zustimmte, klar zu machen und eine Generalversammlung für alle Vereine der Schleswig-Holsteinischen Ostseeküste irgendwohin einzuberufen, sowie auch die Vereine von der Nordseeküste. Ebenso sollten wir mit dem Küsten-Schifferverband in Verbindung treten über die Planung eines Streiks gegen die Bonner Beschlüsse.

Wir in Eckernförde hatten auf der Versammlung unseres Vereins beschlossen, in den nächsten Tagen eine Protestdemonstration auf dem Rathausmarkt zu veranstalten, wenn sich die Belegschaften der Räuchereien mit uns solidarisch erklärten.

Mit der SPD hatten wir gesprochen, ob sie nicht Verbindung zur Partei in Bonn aufnehmen könnte, um unser Bemühen gegen die Zollverfügung zu unterstützen. Auch Christian Rehse setzte sich bei seiner Partei dafür ein, dass die Zollverfügung zurückgenommen wurde, da sonst die ganze Küstenfischerei der Ost- und Nordsee zugrunde geführt werden konnte. In den nächsten Tagen stellte sich heraus, dass unser Beschluss als das Richtige anerkannt wurde und alle einstimmig zustimmten. Eine Generalversammlung sollte in Travemünde stattfinden.

Die Nordsee-Fischervereine stimmten einmütig zu, die Maßnahmen für einen Streik zu veranstalten. Volle Autobusse kamen von Maasholm, Kappeln, Arnis, Eckernförde und der Kieler Förde nach Travemünde. Auch von der Nordseeküste kamen die Abgeordneten der Vorstände der einzelnen Vereine. Abgesehen von einigen Querulanten wurde einmütig beschlossen, den Streik durchzuführen, damit sich die Herrschaften in Bonn einmal ein Bild davon machen konnten, was sich längst an den Küsten von Ost- und Nordsee von Schleswig-Holstein bis zur holländischen Grenze abspielte, um für die Existenz der Fischer zu kämpfen.

Unsere Demonstration auf dem vollen Rathausmarkt war ein großer Erfolg. In meiner Ansprache betonte ich, dass dies das erste Mal war, dass die Fischerei entlang der Küsten so stark für ihre Existenz kämpfen musste. Wir wollten damit verdeutlichen, dass die Fischer an den Küsten auch Menschen sind, die bereits schwer um ihr Überleben kämpfen und nicht noch durch unüberlegte Verfügungen zusätzlich belastet werden sollten.

Die ersten 8 Tage verlief der Streik reibungslos. Doch dann begann es in einigen Orten zu rumoren, da von Bonn aus keine Bewegung zu sehen war. Deshalb rief der Fischerei-Verband am 9. Tag zu einer Tagung mit den Vorständen der einzelnen Vereine nach Kiel auf. Christian Lorenz, der langjährige Vorsitzende des Eckernförder Fischereivereins, sprach mit Lorne Markward und mir darüber, ob er an dieser Tagung teilnehmen könnte. Wir stimmten beide zu, da wir ihn als eine wichtige Unterstützung für unsere Aufgabe sahen.

Auf dieser Tagung gab es Meinungsverschiedenheiten. Einige glaubten, dass die ganze Sache zwecklos sei und zu nichts führen würde. Dann sprach Christian Lorenz zu allen anwesenden Kameraden und sagte, dass niemand den Mut verlieren sollte. Was hier in die Wege geleitet wurde, sei einmalig und werde zum Erfolg führen. Aber so etwas könne nicht von einem Tag auf den anderen erreicht werden. Vor allem dürfe die Sache nicht mitten in den Verhandlungen durch Missmut und Feigheit zerstört oder unterbrochen werden. Diese Rede von Christian Lorenz brachte die Querulanten doch scheinbar zur Besinnung.

Ich ging mit Helmut Hoffmann von Maasholm nach draußen und sprach unter vier Augen mit ihm. Ich erzählte ihm, dass wir ständig in Verbindung standen und dass in Bonn doch allerlei in Bewegung sei. Ich sagte ihm, dass wir in ein paar Tagen den endgültigen Beschluss bekommen würden und dass es gut für uns stünde. Wir hätten unser Ziel erreicht, aber es dürfe nicht bekannt werden, ehe die Verhandlungen beendet seien. Ich bat ihn, seine Leute zu beruhigen und noch einige Tage durchzuhalten. Ich sagte ihm: „Helmut, du kannst dich auf mein Wort verlassen.“ Er meinte, es sei gut, dass ich ihn unterrichtet habe, und versprach, dafür zu sorgen, dass wir weiter durchhalten. Denn wenn es so ist, wie ich ihm erklärt habe, wäre es nicht zu verantworten, die Sache vorher abzubrechen. Ich erwähnte auch, dass wir in Eckernförde mit denselben Problemen zu kämpfen haben.

Die Tagung verlief am Ende doch noch gut, da die unruhigen Kameraden doch Vernunft annahmen. Am 13. Tag kam am Nachmittag die Nachricht aus Bonn, dass wir Erfolg hatten und die Verfügung zurückgenommen wurde. Es blieb beim Alten. Am selben Nachmittag machten wir die Nachricht bekannt, die vom Fischerei-Verband am nächsten Tag bestätigt wurde. Ab dann konnte wieder gefischt werden. Plötzlich waren alle Kameraden zufrieden. Dieses ganze Geschehen spielte sich im April 1951 ab.

Fr. Daniel

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