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Anchovis
Eine Geschichte, die sich in den 90er Jahren bei uns in Eckernförde am Jungfernstieg abgespielt hat.
Ein alter Fischermann war mit seinem Sohn eines Tages durch, auf ihrem Standplatz am Jungfernstieg ihre Buttgerte aufzuhängen, das waren Hein und sein Sohn Krischan.
Da kam von der Toterbarg her ein Bauer mit seinem Fuhrwerk nach dem Jungfernstieg und hielt genau gegenüber, wo die beiden bei ihren Netzen waren. Der Bauer stieg von seinem Wagen, ging zu den beiden Fischermännern hin und begrüßte sie mit einem „Guten Tag“.
Der alte Hein, der immer vergnügt und voll Dummheiten war, antwortete ihm mit: „Guten Tag“ dem Bauern.
Der Bauer fing gleich an, von dem zu erzählen, was ihm am Herzen lag. Er sagte zu dem alten Hein, dass er für sein Leben gern mal Anchovis möge, die zu Ei und Butterbrot gut schmecken. Jedes Mal, wenn er zur Stadt komme, nehme er von seinem Höker am Goosmarkt einen und auch mal zwei Gläser Anchovis mit nach Hause. Doch heute hätte sein Höker keinen mehr gehabt, gab ihm aber den Rat, ich solle mal zum Jungfernstieg hinuntergehen und sehen, dass ich mit einem Fischer sprechen könne, denn die machten um diese Zeit ganze Steintöpfe voll Anchovis für sich selbst ein.
Deshalb möchte ich mal fragen, wie das mit einem Topf voll wäre. Natürlich nicht umsonst, das soll mir nicht an Speck, Eier und Butter ankommen, denn für was, ist was und eine Hand wäscht die andere. Übrigens will ich mich erstmal bekannt machen, man nennt mich Hans Bauer.
Der alte Hein meinte, dann sag zu mir man Hein und das ist hier mein Sohn Krischan, wo du uns hier eben lang. Wenn du gern Anchovis magst, will ich dir zu Gefallen einen Topf voll durchgeben. Besorg dir man einen großen Steintopf und bring ihn hier man her, dann läuft das andere sich all trecht. Wenn du nächste Woche wieder nach Stadt kommst, kannst du dir den Topf mit Anchovis abholen.
Der Bauer kam dann ja auch bald mit einem großen Steintopf, die Anchovis wollte er sich ja nicht aus der Nase gehen lassen.
Als der Bauer wegfuhr, meinte der alte Hein zu seinem Sohn: Morgen früh, wenn die Waden einen Fang an Breedeln (Sprotten) haben, sorgst du dafür, dass du welche von dem Bestickfisch kriegst, damit der Bauer zu seinen Anchovis kommt. Er soll einen Topf voll haben, die sich kämmt und gewaschen hat, dass er seine Nase voll kriegt.
Die Breedeln, die Krischan besorgt hatte, musste er einsalzen, wie sich das gehört. Nach ein paar Tagen wurden sie dann mit Stake sein Anchovis-Gewürz nach richtiger Hausmanns-Art eingemacht. Aber Hein hatte sich diesmal was besonderes mit den Anchovis ausgedacht. Er wollte den Bauern mal düchtig anschmieren, darum schickte er Krischan zur Tobaksfabrik Spethmann. Er sollte für ein paar Groschen ein Marmeladenglas voll Kautabaksoße holen.
Krischan, der die Soße nicht kannte, fragte seinen Vater, was er mit der Kautabaksoße wolle. Er bekam nur die Antwort, er soll den Mund halten und vor allen Dingen nichts zu seiner Mutter sagen. Die Soße gehört zu einem besonderen Rezept. Krischan aber hatte Mühe, er kannte seinen Vater!
Bei vierzehn Tagen kam der Bauer wieder und wollte nach seinem Anchovis-Topf sehen. Er hatte einen großen Spankorb mit, da musste allerhand drin sein, denn er trug teuflisch schwer daran. Und das war auch so. Der Bauer packte den Korb auf den Tisch und ein ändliches Stück Schweinebraten, Räucherspeck, Mettwurst, Leberwurst, Käse, Butter und ein Stieg Eier kamen zum Vorschein.
Der Bauer hatte sich verdorri nicht lumpen lassen. Und er sprach beim Auspacken bloß von seinen Anchovis. Krischan hatte dabei ein ganz rotes Gesicht bekommen. Er war doch der Einzige, der von dem Geheimrezept wusste.
Seine Mutter sagte noch so zum Bauern, sie hätte ihm ja einen großen Topf voll gemacht, da konnte er sich ja recht an plegen. Krischan musste den großen Steintopf aus dem Keller holen. Das war auch höchste Zeit, denn ihm zitterten und flogen die Hände vor lauter Angst.
Seine Mutter meinte, der Steintopf wäre wohl sehr schwer. Da lag ja auch der große Stein obenauf. Der war dazu da, mit seinem Gewicht die Anchovis unter der Lake zu halten, damit sie nicht schlecht würden.
Als der Bauer den Topf in den Händen hatte, schnupperte er daran herum, als wenn das Apartes wäre. Dann kriegte er das bannig hild, als wenn er bang um seinen Topf Anchovis wäre. Krischan und seine Mutter bewunderten all den Kram, der da auf dem Tisch lag.
„Junge, Junge“, sagte Krischan, und das alles für einen Topf Anchovis mit Kau… – er biss sich gleich auf die Zunge. Da hätte er sich doch bald verplappert und da kam auch schon sein Vater in die Tür, grinste sich einen, als er die vielen Sachen auf dem Tisch liegen sah.
Von der Seite schielte er Krischan noch mal an: Hast doch nichts verraten, Krischan? Das war Kautabaksoße. Das wird hoffentlich keinen krank von werden. Das schlechte Gewissen kam ihm aber nur, wenn er all den guten Kram auf dem Tisch stehen sah. Sonst war er mit seinen Kreihnschiet nicht so fienfühlig.
Drei Wochen später, Hein und Krischan waren groß dabei und nahmen ihre Buttgerte von der Stätte ab. Krischan mit einem Mal rief: „Vater, der Bauer kommt!“
„Wo?“ fragte der alte Hein. Er war rein aufgeregt. „Dort bei Schlachter Sauer an der Ecke steht er mit seinem Spankorb unterm Arm zu schnacken. Ob er uns wohl was mitgebracht hat?“
„Ach, Jung, tu doch ni. Sag du man zu ihm, wenn er herkommt, dass ich an der Brücke bin. Ich stell mich so lang, bis die Luft rein ist, hinter Hein Scheller seinen Teerbude.“
Er war auch man eben weg und hatte sich versteckt, da kam der Bauer nach der Stätte hin, Krischan bebte die Box vor Angst. Er war wütend über seinen Vater, dass der ihn aus Feigheit das Problem mit der Kautabaksoße aufladen hatte.
Er sagte gleich: „Guten Tag, Bauer, mein Vater ist nicht hier, er ist an der Brücke, wird aber bald wohl wieder kommen.“
„Das macht nichts“, sagte der Bauer. „Ich will man bloß sagen, dass die Anchovis ganz großartig schmecken tun. So gut, wie man sie in keinem Laden kaufen kann. Ich habe zu meiner Frau gesagt, man kann doch schmecken, dass die kleinen Dinger von einem Fachmann eingemacht sind, der weiß doch, wie sie am besten schmecken. Ja, mein Sohn, ich sag dir, die sind so lecker und zart und mehr, dass so wie Butter auf der Zunge schmölt.“
„Meine Frau und ich, wir Knecht und Kööksch sind so schlimm durch, als kleine Kinder nach dem Honniepott. Wenn wir so bei bleibt zu naschen, dann sind sie bald alle. Deshalb bin ich hier, um mit deinem Vater zu sprechen, wie das mit noch so einem Topf voll wäre, ich habe auch wieder etwas mitgebracht. Bring den Korb man nach deiner Mutter rein und pack den Kram man aus.“
Krischan war rein die Luft weggeblieben, als er hörte, was der Bauer ihm alles daher erzählte. Das halbe hatte er man kapiert und zu Kopf gekriegt. Er schielte man bloß nach der Teerbude, wo sein Vater sich versteckt hatte.
Als der Bauer von „Korb nach Haus bringen“ sprach, da wurde Krischan ganz hiddelig. So nahm er gleich den Korb und hielt ab. Schaute sich aber noch mal um nach der Teerbude. Da sah er, wie sein Vater achter raus kam und nach der Stätte ging, wo der Bauer noch stand.
Krischan war mit einem Mal tomod, als wäre ihm die große Steen vom Anchovistopf vom Herzen gefallen, und er freute sich über den schweren Korb und für alles, was da drin war.
Der alte Hein, der achter der Teerbude stand, hatte alle Augenblick um die Ecke nach dem Bauern und Krischan geguckt. Er dachte bloß immer, ob da wohl was scheef gehen würde. Er hatte keine Ruh mehr und meinte zu sich selbst: „Mensch, Hein, was bist du doch für ein kümmerlicher Kirl, hast immer all so Kreihnschiet für und dann stehst du nicht mal für dein Undöög grood. Verkrüppst dich achter der Teerbude und lässt deinen Jung das ausbroodn.“
Er hatte da auch ebenso übernohdacht, da sah er, dass Krischan mit dem Korb nach Haus zuging. Da wusste er, dass alles in Ordnung war. So ging er hin nach der Stätte hin und begrüßte den Bauern, als wenn er von der Brücke gekommen wäre.
Der Bauer aber fing gleich an von den Anchovis und erzählte ihm, wie fein sie die schmecken täten. Und ol Hein hörte niep zu. „Mein lieber Bauer, du wüsstest man wissen, wie ich dich angesmeert habe, mit der Kautabaksoße mang deinen Anchovis. Hättest du das gewusst, wäre dein Lobgesang wohl nicht so rosig ausgefallen“, aber auch dachte der ol Hein, „warum sollen die Anchovis mit Kautabaksoße nicht schmecken? Das ist doch reiner Kram, ein bisschen Plummsaft mit Sirup und was da sonst noch mang ist, krank geworden von Kautabak ist doch noch kein Mensch.“
Und schmecken müssen die Dinger ja, sonst hätte der Bauer doch nicht so ein Palaver davon gemacht. Der blieb dann auch bei zu sabbeln. Und toletzt fragte er dann Hein, wie das denn wäre mit noch einem Topf voll Anchovis.
„Jo“, sagte Hein, „besorg dir man wieder einen Steintopf und bring ihn her. Bei Gelegenheit wäre ich dir den Topf vollmachen. Und wenn du zur Stadt kommst, fragst mal vor. Wenn der Topf voll ist, dann nimmst ihn mit.“
„Das tu ich“, sagte der Bauer.
Wieldess kam Krischan mit dem Korb an. Er bedankte sich hartlich von seiner Mutter aus für das Mitgebrachte.
„Das ist alles in Ordnung“, sagte der Bauer, „zu danken habe ich.“
So ging er denn ab.
Der Bauer hatte seinen zweiten vollen Topf bekommen, diesmal aber ohne Kautabaksoße, denn das Risiko wollte er lieber nicht noch einmal eingehen.
Als der Bauer seinen ersten Topf leer und sie bei dem zweiten anfingen zu essen, kaute und schnupperte der Bauer herum, als wenn da was nicht in Ordnung wäre. Er guckte seine Frau an: „Mensch, Trina, schmeckst du nichts? Mir dünkt mit den Anchovis ist was nicht auf der Reeg. Da fehlt was an. Auch sind sie so hart und fast.“
Dagegen waren die ersten doch zart und mehr wie Butter, auch der Geschmack ist ganz anders. Da sagte er seiner Frau: „Die sind jedenfalls noch nicht gut und müssen noch eine Zeitlang stehen.“ Aber wie die ersten schmecken sie nicht, das war die Meinung des Bauern.
„Wenn ich zur Stadt komme do“, sagte der Bauer, „will ich doch mal mit Hein darüber sprechen und fragen, ob sie auch was daran vergessen haben.“
Und so kam das auch. Der Bauer verklagte Hein, wie unterschiedlich der Geschmack von den ersten und den zweiten Topf war. Der alte Hein hörte sich ruhig an, was der Bauer ihm daher erzählte. In Stille schmunzelte er sich einen, dann sagte er: „Ja, Hans Bauer, das kann ganz gut angehen, denn sieh mal, wir sind all ganz weit im Fröhjohr und dann nehmen die Fisch einen ganz anderen Geschmack an, das liegt an dem Fröhjohrswasser. Da ist nichts bitomoken. Eingemacht sind sie nach dem selbigen Rezept wie die ersten.“
„Lass dir man Zeit bis zum Winter, wenn die Breedelntied und somit auch die Anchovistied ist, dann will ich dir wieder welche einmachen und du sollst sehen, dass sie dann wieder genau so schmecken wie die ersten.“
Der Bauer hat das dann wohl auch geglaubt und war beruhigt.
Noch lang hat der ol Hein sich einen höhgt, dass er den Bauern mal so richtig angesmeert hatte, wie auch die schiedbüdelie mit dem Fröhjohrswasser, was er dem erzählt hatte.
Ein Anchovis mit Tabaksoße müsste nach dem Bauern sein Vertelln ja gorni son schlecht Rezept ween. Hein dachte bei sich: „Hans Bauer, du kannst dich op verloten, du kriegst wieder Anchovis mit Kautabaksoße. Da kannst du dich op verloten. Das steiht fast.“
Dass diese Geschicht wohr wesen ist, glaube ich allemol, denn der alte Hein sein Sohn Korl hat die Geschicht bei Hein Lorentzen in der Gaststuuv im Januar 1921 vertellt, wo 2 Rökeriebesitzers und 11 Fischers bi weern. Ich habe mir von Lorentzen Papier und Bliefedder geben, habe die Sook mit Opschreben und dies Stück Papier habe ich hüüt noch bei meinem Kroom in der Schuuf liegen.
Friedrich Daniel.